Grippe-Impfsaison in Deutschland beginnt - Warnsignal Australien? Von Gisela Gross, dpa
Corona bestimmte lange den Alltag in Deutschland. All die Erreger,
die uns zuvor im Herbst und Winter plagten, sind aber auch noch da.
Frühzeitige Grippeschutzimpfungen machen für einige Gruppen Sinn.
Berlin (dpa) - Ganz plötzlich schachmatt: hohes Fieber, schmerzende
Muskeln und ein dröhnender Kopf. So kann der Beginn einer echten,
also durch Influenza-Viren ausgelösten Grippe aussehen. Hinzu kommt
in der Regel trockener Reizhusten. Die Krankheit konnte während der
Sars-CoV-2-Pandemie fast in Vergessenheit geraten: Grippewellen im
klassischen Sinn fielen wegen der in vielen Ländern verhängten
Corona-Maßnahmen aus oder verliefen anders als gewohnt. Nun sind
Maske, Abstand und Vorsicht für die meisten Menschen Geschichte. Auch
Grippeviren könnten da wieder leichteres Spiel haben.
In rund zwei Wochen beginnt die Grippesaison - im Zeitfenster von
Oktober bis Mitte Dezember wird gefährdeten Gruppen zur
Grippeschutzimpfung geraten. Rund 18,8 Millionen Impfstoffdosen sind
nach Angaben des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts bislang
freigegeben. Der Höhepunkt der Grippewelle wird meist erst nach dem
Jahreswechsel verzeichnet.
Unterschätzte Krankheit
Aus Sicht von Experten nutzen die Deutschen diese Impfung bisher viel
zu wenig. «Wir haben traditionell extrem schlechte Impfquoten, was
die Influenza angeht», sagte der Direktor der Abteilung für
Infektiologie von Berlins Universitätsklinik Charité, Leif Sander,
kürzlich. Bei Älteren werden 75 Prozent Geimpfte angestrebt,
tatsächlich ließ sich in der Saison 2020/21 bei den ab 60-Jährigen
jedoch weniger als jeder Zweite gegen Grippe impfen. Die östlichen
Bundesländer stehen etwas besser da als die westlichen.
Auch beim Blick auf offizielle Meldezahlen kann leicht unterschätzt
werden, wie häufig die Grippe ist: Laut Robert Koch-Institut (RKI)
stecken sich während einer Welle je nach Stärke schätzungsweise 5 bis
20 Prozent der Bevölkerung an, also bis zu 16 Millionen Menschen. Wie
bei Corona zeigt die Statistik lediglich laborbestätigte Fälle.
Der Begriff Grippe wird umgangssprachlich auch manchmal leichtfertig
bei harmlosen Beschwerden wie Unwohlsein und Schnupfen verwendet, die
durch ganz andere Erreger hervorgerufen werden. Die echte Influenza
hat jedoch ernstere Konsequenzen, bei manchen Patienten kommt es zu
Komplikationen. Bei der heftigsten Grippewelle seit Jahrzehnten in
Deutschland in der Saison 2017/18 starben nach Schätzungen etwa 25
000 Menschen. Die Schwere der Wellen kann von Saison zu Saison ganz
unterschiedlich ausfallen.
Wem die Grippeschutzimpfung empfohlen wird
Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät ausgewählten Gruppen zu der
jährlich nötigen Impfung: Menschen ab 60, Schwangeren sowie Kindern
(ab sechs Monaten) und Erwachsenen mit bestimmten Vorerkrankungen.
Die Empfehlung richtet sich außerdem auch an gesunde Menschen, die
durch ihren Job stärker gefährdet sind, etwa medizinisches Personal.
Verwendet werden sollen Vierfachimpfstoffe mit aktueller, von der WHO
empfohlener Antigenkombination. Diese Anpassung wird jedes Jahr neu
vorgenommen, weil Influenzaviren sehr wandlungsfähig sind. Für ältere
Menschen sollen besser wirksame Hochdosis-Impfstoffe genutzt werden.
Bei den Gruppen gibt es einige Überschneidungen zur Stiko-Empfehlung
für die neue angepasste Corona-Auffrischimpfung. Wer möchte, kann
sich Grippe- und Corona-Impfung daher gleichzeitig geben lassen. Dies
wird gestützt durch kürzlich erschienene Analysen zu Impfungen von
Mitarbeitenden im Gesundheitswesen in Israel: Die Doppel-Impfung sei
im Vergleich zur einzelnen Corona-Impfung weder mit einer deutlich
schwächeren Immunantwort noch mit mehr Nebenwirkungen einhergegangen,
bilanzierten die Autoren im Journal «Jama».
Australiens Grippewelle betraf viele Kinder
Der Verlauf und die Schwere einer Welle lassen sich nicht
vorhersagen. Blickt man jedoch auf die Südhalbkugel, die manchen
Experten als Marker für das bevorstehende Geschehen bei uns gilt, so
sticht insbesondere eines ins Auge: In Australien waren Kinder und
Jugendliche häufig betroffen. Viele hatten so schwere Symptome, dass
sie auf die Intensivstation kamen, wie der australische «Guardian» im
Juli berichtete. Sowohl in Australien als auch in Neuseeland setzte
die Grippewelle außerdem viel früher ein als gewöhnlich. Experten
sind überzeugt, dass vor allem die Aufhebung der strengen
Corona-Maßnahmen die Grippewelle beflügelte. Die Impfquoten bei
Kindern sollen auch im Zuge dessen niedriger ausgefallen sein als
üblich.
Der kommende Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung
für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Florian Hoffmann, hält sich
wegen der vielen Unwägbarkeiten mit Prognosen für Deutschland zurück
- die Entwicklung in Australien müsse aber ernstgenommen werden,
sagte er. Er mahnte dringend zeitnahe Impfungen der Risikogruppen und
aller Beschäftigten im Gesundheitswesen an. «Dies ist die einzige
Möglichkeit, den Verlauf dieser Welle abzumildern», sagte der
Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München.
RKI will hinterher Bilanz ziehen
Das RKI will wie üblich erst im Nachhinein die Schwere der Welle
beurteilen. Es betont, dass sich zum Beispiel von einem schweren
Verlauf in einem Staat nicht auf einen ähnlichen Verlauf in einem
anderen Staat schließen lasse. Die Schwere hänge wesentlich von der
Grundimmunität in der Bevölkerung und den jeweils in den Vorjahren
verbreiteten Subtypen ab. Vergangenen Herbst und Winter kam es
untypischerweise zu zwei Wellen: Eine war stark und ungewohnt früh,
dominiert von Influenza A(H3N2)-Viren. Die zweite verlief leichter
und erst im Februar, hauptsächlich ging es um Influenza B.
Die Impfung sei die wichtigste Maßnahme gegen die Erkrankung, auch
wenn sie keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Infektion biete,
schreibt das RKI. Wer sich als Geimpfter anstecke, erlebe in der
Regel einen milderen Verlauf. Charité-Mediziner Sander betonte zudem
noch einen weiteren Nutzen der Impfung: zum Senken des Risikos etwa
von Grippe-Folgeerkrankungen wie Herzinfarkten.
In Deutschland werden gegen Grippe meist sogenannte Totimpfstoffe
verwendet, die die Krankheit nicht auslösen können. Möglich sind aber
Impfreaktionen mit erkältungsähnlichen Symptomen.
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