Cannabis vom Olymp bis Nepal: Wie andere Länder mit der Droge umgehen Von Carola Frentzen, dpa

Der Umgang mit Cannabis ist weltweit ein Thema, nicht nur in
Deutschland. In Uruguay gibt es das Rauschmittel längst legal in
Apotheken, in Kalifornien in schicken «Dispensaries». Thailand gilt
als jüngstes Pot-Paradies - und Amsterdam hat neue Regeln.

Bangkok (dpa) - Während Deutschland noch über die geplante
Cannabis-Legalisierung diskutiert, sind andere Länder schon deutlich
weiter. In einigen boomen legale Shops mit breiten Produktpaletten -
von fertigen Joints bis zu Gummibärchen. Andernorts kämpft die
Polizei gegen massiven Anbau und berühmte Drogenmeilen. Denn Regeln
zu Anbau und Verkauf von Cannabis - der lateinische Name für Hanf -
variieren stark. Ein Streifzug durch Ganja-Shops und Weed-Hotspots
weltweit:

Thailand gilt seit vergangenem Jahr als neues Cannabis-Mekka. Drohten
früher drakonische Strafen, so schießen nun schicke Cannabis-Shops
wie Pilze aus dem Boden. Ziel der Regierung war, durch lizenzierten
Anbau die pandemiegeschwächte Wirtschaft anzukurbeln. Dazu wurden zu
Beginn sogar eine Million Hanfpflanzen an Privathaushalte verschenkt.
Das Ganja geht unter so verheißungsvollen Namen wie «Painkiller» oder

«Guava Gouda» über die blank polierten Ladentheken. Aber es gibt
Regeln: Das Mindestalter für den Konsum liegt bei 20, Im- und Export
sind verboten. Auch ist öffentliches Rauchen nicht gestattet - manche
Shopbesitzer haben private Raucherecken eingerichtet. Damit sich
Gras-Freunde im Dunst der Vorschriften zurechtfinden, gibt es einen
Cannabis-Guide für Touristen.

Offiziell ist Ganja bisher zwar nur für den medizinischen und
industriellen Gebrauch freigegeben - aber da es von der Liste
illegaler Drogen gestrichen wurde, ist auch der Freizeitkonsum nicht
mehr verboten. Zumindest momentan. Denn noch ist die Legalisierung
nicht vom Parlament per Gesetz verankert worden - und es gibt Gegner.
Dass es noch einmal ein komplettes Verbot geben wird, halten
politische Beobachter aber für unwahrscheinlich.

Der Wegbereiter hin zu einem neuen Umgang mit der Droge war Uruguay,
das 2013 als erstes Land weltweit den Konsum, den Verkauf und den
Anbau von Cannabis legalisierte. Süßliche Marihuana-Schwaden ziehen
am frühen Abend durch die engen Straßen der Altstadt von Montevideo.
An der Uferpromenade Rambla und in den Parks lassen junge Leute die
Joints kreisen. Konsumenten dürfen pro Woche bis zu zehn Gramm
Marihuana in der Apotheke erwerben. Dort sei es «einfach sicherer und
vertrauenswürdiger», sagt Sol Scavino (31).

Voraussetzung: Die Konsumenten müssen sich vor dem Kauf registrieren.
Außerdem dürfen sie zu Hause bis zu sechs Pflanzen mit einer
maximalen Jahresernte von 480 Gramm kultivieren. Cannabis-Clubs mit
zwischen 15 und 45 Mitgliedern können bis zu 99 Pflanzen besitzen.

Noch viel früher duldeten die Niederlande bereits in den 1970er
Jahren als eines der ersten Länder der Welt den Verkauf und Konsum
von sogenannten weichen Drogen. Das Land gilt seit Jahrzehnten als
Kiffer-Paradies. Doch die oft gerühmte Toleranz hat einen Haken:
Coffeeshops dürfen zwar Cannabis verkaufen, doch Anbau und Großhandel
sind verboten. Das heißt, die Läden müssen sich ihre Ware illegal
besorgen, durch die Hintertür sozusagen. «Die Niederlande waren
weltweit die Wiege für die Toleranz von Softdrugs», sagt
Coffeeshop-Besitzer Paul Wilhelm. «Eigentlich hätten wir dafür auf
der Liste des Weltkulturerbes stehen müssen. Stattdessen werden wir
links und rechts eingeholt.» Immerhin: Im nächstem Jahr startet ein
Versuch mit legalem Anbau von Cannabis.

Es gibt auch Schattenseiten: Gerade Amsterdam leidet unter vielen
saufenden und kiffenden Partytouristen. Vor «De Dampkring» im Zentrum
stehen ein paar britische Touristen und ziehen genüsslich an einem
Joint. «Das ist so relaxed hier», schwärmt Gerry (43) aus Manchester.

Dabei hat die Stadt längst die Notbremse gezogen: Kiffen ist seit
Ende Mai auf den Straßen im alten Zentrum verboten. Die Kunden vor
dem «Dampkring» wollen das nicht glauben. «Das ist ein Witz, oder?
»
Doch große Schilder warnen vor Geldstrafen von 100 Euro.

Auch in Teilen der USA blüht das Geschäft mit dem «grünen Gold»,
es
gibt einen regelrechten Cannabis-Tourismus - speziell in Kalifornien.
Die Stadt Oakland etwa listet auf der «Cannabis-Trail»-Webseite die
besten Verkaufsstellen und andere Highlights auf. «Root'd In The 510»
ist Oaklands größter Cannabis-Shop mit über 1400 Produkten, in
Glasvitrinen elegant zur Schau gestellt, wie teurer Schmuck in einem
Juweliergeschäft. «Raus aus dem Schattendasein, rein ins Licht», sagt

Ladenbesitzer Rickey McCullough mit einem breiten Grinsen.

2018, gleich zu Beginn der Legalisierung der Droge als Genussmittel
in dem Bundesstaat, erhielt der 37-Jährige die begehrte
Verkaufslizenz für eine so genannte «Dispensary». Zehn Jahre zuvor

hatte er noch wegen illegalen Marihuana-Anbaus kurz in Haft gesessen.
Nun verkauft er ganz legal ein riesiges THC-Sortiment, wie essbare
Gummis, Schokolade, Kekse, Getränke, Cremes und Wellness-Produkte,
neben einer riesigen Auswahl von Cannabis-Blüten und fertig gerollten
Joints. Mindestalter 21 ist die einzige Voraussetzung zum legalen
«Pot»-Shoppen. Allerdings ist auch in Kalifornien der Konsum auf der
Straße und öffentlichen Plätzen weiterhin untersagt.  

Die Trudeau-Regierung in Kanada hat ebenfalls bereits 2018 Cannabis
legalisiert. Einer der Gründe war, Gras aus der Illegalität zu holen
und den Markt zu regulieren. Umfragen zeigten zuletzt, dass der
Konsum nach einigen Jahren des leichten Anstiegs nun fast wieder auf
dem Niveau von vor der Legalisierung liegt. Mittlerweile gehört
Cannabis aber - ob als Getränk, Joint oder Gummibärchen - in weiten
Teilen Kanadas zum normalen Leben speziell junger Menschen dazu.

Komplizierter ist die Lage in Nepal. Einst zog das Land im Himalaya
unzählige Hippies an - nicht zuletzt wegen der vielen Cannabis-Läden.
Das Marihuana-Rauchen ist hier aber auch kulturell verankert, und der
Konsum wurde lange als völlig normal angesehen. Aber in den 1970er
Jahren verbot das Land Produktion, Verkauf und Konsum - nachdem die
USA im Rahmen ihres damaligen Krieges gegen Drogen Druck gemacht
hatten. Wer dagegen handelt, kann sogar ins Gefängnis wandern.

Trotzdem hat noch so mancher in aller Öffentlichkeit einen Joint in
der Hand, oft drückt die Polizei ein Auge zu. So rauchen Sadhus - als
heilig angesehene und von Almosen lebende Männer - regelmäßig auf den

Geländen hinduistischer Tempel. Zudem sieht man auf dem Land oft
Cannabis-Pflanzen in Gärten. Und auch beim «Shivaratri»-Fest zu Ehren

des Hindu-Gottes Shiva, das jedes Jahr Hunderttausende Gläubige
begehen, spielt der Konsum eine wichtige Rolle. Inzwischen gibt es
Bestrebungen, die Droge wieder zu legalisieren.

In Europa ist Griechenland gewisserweise das Eldorado für
Cannabis-Freunde - was den Anbau betrifft. Immer wieder entdeckt die
Polizei große Plantagen mit Tausenden Pflanzen, die dann verbrannt
werden. Selbst auf dem Berg Olymp und in Klostergärten wurden die
Fahnder fündig. Auf Kreta geht es besonders kriminell zu: In dem
unwegsamen, bergigen Gelände der Insel gibt es Drogen-Barone und
Clans, die ihre Terrains sogar mit Waffengewalt verteidigen.

An der griechischen Westküste wiederum finden bisweilen filmreife
Verfolgungsjagden auf dem Meer statt, wenn Dealer die Drogen aus
Griechenland und Albanien mit hochmotorisierten Schnellbooten nach
Italien schaffen wollen und die Polizei ihnen mit Hubschraubern und
Patrouillenbooten nachsetzt. Verboten bleibt Cannabis dennoch - eine
Legalisierung lehnt die konservative Regierung kategorisch ab.

Auch in Dänemark bestimmt das Thema Cannabis seit einigen Wochen die
Titelseiten. Grund dafür ist keine Legalisierung, sondern ein
ausgeprägter Streit um die berüchtigte Drogenmeile des Landes: In der
Kopenhagener Freistadt Christiania haben die Einwohner genug von den
Dealern, die in der sogenannten Pusher Street mehr oder weniger frei
sichtbar Haschisch und Marihuana verticken. Dieses Geschäft befindet
sich seit geraumer Zeit immer fester in der Hand von Rockern und
Gangs, was zu Gewalttaten und tödlichen Schüssen geführt hat.

Die Einwohner von Christiania wollen die berüchtigte Straße nun
schließen lassen - wie das ablaufen soll, müssen die dänischen
Behörden klären. Gelingt es, wäre es ein historischer Schritt: Drog
en
gehören seit mehr als 50 Jahren zu der Hippie-Wohnsiedlung, auch
Touristen schauen sich die Pusher Street gerne an. Die Christianiter
hoffen nun, die Kriminellen loszuwerden - gleichzeitig aber auch auf
einen legalisierten, staatlich regulierten Drogenmarkt.

Zum Hintergrund: Ein vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachter
Gesetzentwurf sieht vor, Cannabis im deutschen Betäubungsmittelgesetz
von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Für Volljährige
ab 18 Jahre soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat
sollen maximal drei Pflanzen angebaut werden dürfen. In
Cannabis-Clubs sollen Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich
anbauen und gegenseitig abgeben dürfen - pro Monat höchstens 50 Gramm
pro Mitglied. Ziel ist ein Inkrafttreten Anfang 2024. Die Begründung:
Die Verbotspolitik sei gescheitert, da trotzdem immer mehr gekifft
werde. Gegner befürchten eine «Normalisierung» der Droge, sinkende
Hemmschwellen auch bei Jugendlichen und verweisen auf Gefahren des
Cannabis-Konsums für das noch nicht ausgereifte Gehirn bei
Heranwachsenden.

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