Bei Hitze und Starkregen - Was Städte gegen Klimafolgen tun können Von Jacqueline Melcher, dpa

Extremwetterereignisse machen den Klimawandel auch in Deutschland
spürbar. Vom 18. bis 22. September geht es bei der bundesweiten Woche
der Klimaanpassung um die Frage: Wie können sich Städte gegen die
Klimakrise wappnen.

Berlin (dpa) - Überschwemmte Straßen, vertrocknete Parks, Hitzetote -
auch in deutschen Städten machten sich in den vergangenen Jahren
zunehmend die Folgen von Wetterextremen bemerkbar. Seit Jahrzehnten
warnen Experten vor den durch den Klimawandel steigenden Temperaturen
und vor Trockenheit, aber auch vor mehr Unwettern und Hochwasser.
Gerade in Städten kann das verheerende Konsequenzen haben.

Denn die asphaltierten oder betonierten Flächen in Städten speichern
besonders gut die Hitze, erklärt Jörn Birkmann, Leiter des Instituts
für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität Stuttgart.
Gleichzeitig kann Regenwasser gar nicht oder nur schwer versickern.
Solche versiegelten Areale stellen nach Angaben des Umweltbundesamtes
rund 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland.

Unter dem Stichwort «Klimaresilienz» untersuchen Fachleute wie
Birkmann daher, wie Städte sich besser für die Folgen der Klimakrise
wappnen können. «Es geht nicht allein um die Frage, wo der nächste
Starkregen oder wie stark die nächste Hitzewelle sein wird, sondern
auch darum, wie man Bürger und sensible Infrastrukturen auf solche
Ereignisse vorbereiten und im Notfall bestimmte Funktionen sichern
kann», sagt Birkmann der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Dabei sei es wichtig, aus vergangenen Extremwetterereignissen zu
lernen - etwa aus der Flutkatastrophe im Ahrtal oder Hitzewellen in
Frankreich. Bei den Überschwemmungen im Ahrtal kamen 2021 mindestens
184 Menschen ums Leben, in Frankreich starben 2003 Tausende Menschen
an den Folgen einer extremen Hitzewelle.

«Wasser kann in einer fortschrittlichen Stadtplanung nicht nur das
Problem sein, sonder auch helfen und Probleme lösen», sagt Roland
Müller, Leiter des Umwelt- und Biotechnologischen Zentrums am
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Es brauche daher eine
«urbane Wasserwende». So müssten Städte Wasser speichern, wenn es i
m
Überfluss vorkommt - also bei Regen oder Starkregen -, um dann darauf
zurückzugreifen, wenn es knapp ist. Städte, die diesen Ansatz
verfolgen, werden oft als Schwammstädte bezeichnet.

Durch eine sogenannte blau-grüne Infrastruktur könnten Städte
entsiegelt und das natürliche Abflussverhalten des Regenwassers
imitiert werden, so Müller. «Am bekanntesten sind wahrscheinlich die
Gründächer, aber da gehören auch Fassadenbegrünungen, neu gestaltet
e
Innenhöfe oder ganz alte Module der Siedlungswasserwirtschaft wie
Mulden-Rigolen-Systeme dazu.» Bei Letzterem wird Regenwasser in einer
Grube aufgefangen und in einen unterirdischen Speicher geleitet.
Verhältnismäßig neu sei, dass man in Rigolen auch Bäume setze.

In Leipzig arbeitet das Modellprojekt «Leipziger BlauGrün», das
Müller leitet, an eben solchen Lösungsansätzen für Stadtquartiere.

«Wir haben von Anfang an versucht, die Wasserperspektive deutlich in
den Mittelpunkt zu stellen», sagt Müller. Es sei wichtig, städtische

Akteure wie Stadtplanungsämter, Umweltämter und kommunale Wasserwerke
mit der Wissenschaft zusammenzubringen. Denn eine der größten
Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaresilienz sieht Müller in der
Komplexität der Sache: «Man muss sektorenübergreifendes Fachwissen

zusammenbringen und integriert planen», so der Experte.

Für eine klassische Stadt mittlerer Größe sei der Ansatz der
Schwammstadt zwar richtig, um massive Wassermassen zu bewältigen,
aber nicht hinreichend, sagt Birkmann. «Es geht vielfach auch darum,
bei großen Wassermassen dafür zu sorgen, dass das Wasser ohne größe
re
Schäden anzurichten durch die Stadt fließen kann» - etwa durch
entsprechende Abflüsse auf der Straße.

Ohne eine Klimaanpassung kommen Forschern zufolge verschiedene
Probleme auf die Städte und Kommunen zu. Sogenannte unterirdische
Wärmeinseln können beispielsweise Bodenverformungen verursachen, die
sich negativ auf die Leistungsfähigkeit von Gebäuden und
Infrastruktur auswirken, wie eine Studie kürzlich am Beispiel Chicago
zeigte.

«Ab einer bestimmten Temperaturveränderung wird es auch
gesundheitlich gefährlich», sagt Birkmann. Nach Einschätzung von
Gesundheitsexperten dürfte die Zahl der Hitzetoten im Zuge der
Erderwärmung Jahr für Jahr steigen. Im Sommer 2022 soll es einer
Studie zufolge in Europa bereits mehr als 60 000 hitzebezogene
Todesfälle gegeben haben - davon mehr als 8000 in Deutschland.

Um der Hitzegefahr entgegenzuwirken, seien Anpassungsmaßnahmen wie
Klimaanlagen oder gekühlte Räume wichtig, so Birkmann. «Die haben
aber sicherlich ähnlich wie in der Corona-Pandemie den Nachteil, dass
sie sehr kleinräumig sind und keine echte Lebensqualität in den
Städten garantieren.» Damit vulnerable Gruppen nicht den ganzen
Sommer zuhause oder in der klimatisierten Stadtbibliothek verbringen
müssten, sei eine Klimaanpassung ganzer Quartiere oder Städte
notwendig.

Messungen und Stadtklimasimulationen hätten nachgewiesen, dass
Verschattung die effektivste Maßnahme sei, um Hitzebelastung im
Freien zu verringern, erklärt Astrid Ziemann, Meteorologin an der
Technischen Universität Dresden. «Für die Stadtbewohner verringert
sich unter einem Baum die gefühlte Temperatur um über 10 Grad.» Auch

ausgedehnte, unverbaute Wiesenflächen und Ventilationsschneisen
könnten im Stadtquartier für kühle Luft sorgen.

Besonders dringlich ist es um die Klimaanpassung dort bestellt, wo
sich vulnerable Gruppen aufhalten. «Wir müssen Resilienz- und
Anpassungsstandards einführen, die zusehen, dass eine Hitze- und
Starkregenvorsorge beim Bau wichtiger Infrastrukturen wie Schulen,
Krankenhäuser und Altersheime zukünftig berücksichtigt wird», sagt

Birkmann. «Denn wenn es ein Extremereignis mit Schäden in diesen
Bereichen gibt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Leute sterben.»

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite