Bauexperten sehen vorerst keine Einsturzgefahr an deutschen Schulen
In Großbritannien wurden zuletzt viele Schulen wegen Einsturzgefahr
geschlossen. Droht das auch in Deutschland? Ein Bauexperte gibt
vorerst Entwarnung - aber mahnt auch zur Vorsicht.
Berlin (dpa) - In Großbritannien wurden kürzlich mehr als 100
Bildungseinrichtungen wegen Einsturzgefahr geschlossen - für
Deutschland sehen Experten ein derartiges Szenario vorerst nicht.
«Eine solche Situation kann ich mir in Deutschland aktuell nicht
vorstellen», sagte Andreas Gerdes, Wissenschaftlicher Leiter
Innovation Hub Prävention im Bauwesen am Karlsruher Institut für
Technologie (KIT), der Deutschen Presse-Agentur. Eine Bauweise wie in
Großbritannien sei ihm in seinen 45 Jahren in der Branche in
Deutschland bisher nicht begegnet. Dort wurde eine bestimmte Form von
Porenbeton genutzt, der sogenannte RAAC-Beton (Reinforced Autoclaved
Aerated Concrete).
In Deutschland sei dagegen die Nutzung des Porenbetons AAC
(Autoclaved Aerated Concrete) verbreitet. Bei den Briten sei die
Besonderheit, dass dort eine Bewehrung in Form eines Stahlstabes in
die AAC-Elemente eingelegt wurde. Dadurch werde AAC- zu RAAC-Beton.
Wenn damit Flachdächer wie in Großbritannien gebaut werden,
funktioniere das nur, solange der Beton trocken bleibe, nicht mit
Sauerstoff in Kontakt komme und der pH-Wert stabil sei. Dafür seien
in Großbritannien Dachabdichtungen errichtet worden, diese habe man
aber zu lange nicht kontrolliert.
Wenn diese Dachabdichtung altert, undicht wird und somit Feuchtigkeit
von oben eintritt und von unten Sauerstoff dazukommt, fängt die
Stahlbewehrung an durchzurosten, wie Gerdes erläutert. Dann könne
sich der Beton mit Wasser vollsaugen und schließlich durchbrechen.
«Deshalb versagen diese Dächer dann so schlagartig.»
Zwar gebe es diese Bauart in Deutschland nicht in vergleichbarer
Weise. «Aber wir können uns deshalb nicht ausruhen», mahnt der
KIT-Leiter, «weil die Werkstoffe, die wir eingesetzt haben, nach den
gleichen Mechanismen altern.» Wenn man dort nicht genug kontrolliere
und nicht rechtzeitig saniere, könne es zu Schäden kommen, die
Menschen gefährdeten. Dann breche wegen der anderen Art von Beton
zwar nicht gleich das ganze Dach ein, doch Teile der Fassade könnten
fallen.
Auch die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Porenbetonindustrie,
Petra Lieback, glaubt nicht, dass die Situation in Deutschland der
britischen ähnelt. Ein Untersuchungsbericht aus England zeige
«unterschiedliche Kombinationen an Mängeln, sowohl in der Herstellung
als auch bei der Anwendung der bewehrten Elemente», sagte Lieback auf
dpa-Anfrage. Außerdem seien grundsätzliche Prinzipien wie Wartung
oder Instandhaltung tragender Konstruktionen nicht eingehalten
worden. «Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand gibt es in
Deutschland keine vergleichbaren Probleme mit bewehrten Elementen aus
Porenbeton», teilte die Geschäftsführerin mit.
Die britische Bauweise kann nicht nur die Sicherheit gefährden,
sondern auch das Klima. Beton ist wegen des Zements sehr
klimaschädlich. Weltweit gesehen ist die Zementproduktion eine der
größten Quellen für das Treibhausgas Kohlendioxid, Schätzungen
zufolge entsprach der Ausstoß in den vergangenen Jahren etwa fünf
Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen durch Industrie und
Verbrennung fossiler Brennstoffe. Und je kürzer ein Gebäude oder
Infrastrukturbauwerk hält, desto mehr Baumaterial wird langfristig
gesehen verbraucht. «Dauerhaft bauen bedeutet auch ökologisch bauen»,
unterstreicht der KIT-Experte Gerdes.
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