Pandemien vorbeugen: LMU-Neubau für Forschung an gefährlichen Keimen Von Sabine Dobel, dpa

Corona scheint als Pandemie ausgestanden. Doch Seuchen, die zwischen
Tieren und Menschen übertragen werden, könnten in Zukunft noch
wichtiger werden. Ein neues hochkomplexes Forschungsgebäude der LMU
soll helfen, gefährliche Erreger rasch zu erkennen und zu bekämpfen.

Oberschleißheim (dpa/lby) - Bevor der Tierarzt Eckart Thein und seine
Kollegen in Zukunft die strikt abgeschirmten Labors und die Räume mit
Versuchstieren betreten, müssen sie sich bis zu drei Mal umziehen,
Atemmaske tragen und minutenlang eine Luftdusche durchlaufen - sie
«spült» mögliche restliche Keime ab. Höchste Sicherheitsvorkehrun
gen
sind nötig. Denn in dem neuen Gebäude für Mikrobiologie an der
Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München

(LMU) in Oberschleißheim sollen künftig Zoonosen untersucht werden:
Krankheiten wie Corona, deren Erreger zwischen Tieren und Menschen
übertragbar sind - und die neue Pandemien auslösen könnten.

Am Mittwoch wurde das 73 Millionen Euro teure Gebäude für das
Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen mit fast 3000
Quadratmetern Nutzfläche von Wissenschaftsminister Markus Blume
(CSU), LMU-Präsident Bernd Huber und dem Dekan der Tierärztlichen
Fakultät der LMU, Reinhard Straubinger, eröffnet. Neben der Analyse
von Viren, Bakterien und Pilzsporen soll die Entwicklung von
Impfstoffen und Medikamenten vorangetrieben werden. Rund 100
Forschende sollen hier einmal arbeiten.

Das Besondere an dem neuen Gebäude sei die Kombination aus den
Laboren der zweithöchsten Sicherheitsstufe S3 und der Möglichkeit zu
Tierversuchen, die in ebenfalls streng von der Außenwelt
abgeschirmten Räumen durchgeführt werden, erläutert Straubinger. Das

gebe es nur etwa an knapp einem Dutzend Standorten in Deutschland,
hieß es. Labore der allerhöchsten Sicherheitsstufe S4 haben nur
wenige Institute, etwa das Friedrich-Loeffler-Institut für
Tiergesundheit und das Robert-Koch-Institut.

Das Sars-CoV-2-Virus war nicht der einzige Erreger, der in den
vergangenen zwei Jahrzehnten die Wissenschaftler in Sorge versetzt
hat - auch wenn andere Krankheiten wie Sars-CoV-1, Mers oder Ebola
sich am Ende nicht weltweit ausbreiteten und zur Pandemie wurden.

Die Wissenschaft fürchtet aber seit langem, dass Zoonosen - und damit
Pandemien - zunehmen werden. Denn Menschen rücken immer weiter in
Gebiete vor, in denen Tiere mit unbekannten Erregern leben, gegen die
Menschen - wie bei Sars-CoV-2 - keine Abwehr entwickelt haben. Zudem
beschleunigt sich mit der Globalisierung die Ausbreitung von
Krankheiten. Im Flugzeug reisten die Keime rasch um die Welt, sagt
Thein. Er ist Zentraler Koordinator für Tierschutz und
Versuchstierkunde der LMU. Spätestens Corona habe gezeigt, «dass der
Bedarf an Forschung wirklich vorhanden ist».

Der Lehrstuhl für Virologie sowie Straubingers Lehrstuhl für
Bakteriologie und Mykologie sind in Oberschleißheim schon eingezogen.
Im Frühjahr sollen die ersten Forschenden die S2-Labore in Betrieb
nehmen. Dort wird mit weniger ansteckenden Erregern geforscht, etwa
bakterielle Keime wie Borrelien, Chlamydien und Staphylokokken.

Voraussichtlich in zwei Jahren werden die S3-Labore für infektiösere
und gefährlichere Krankheiten an den Start gehen. Hier steht der
gesamte Forschungstrakt ständig unter Unterdruck. So wird Luft von
außen angesogen und gelangt nur über Hochleistungsfilter gereinigt
wieder nach außen. Die Forscher müssen teils in Vollschutzanzügen
arbeiten, die ein wenig über den Raumdruck hinaus aufgeblasen werden,
so dass auch bei einer Undichtigkeit keine Erreger eindringen können.

In die hochgesicherten Labore und zu den Versuchstieren gelangen sie
über mehrere Schleusen. Grün und rot gestrichene Gänge signalisieren

den Mitarbeitern: Hier geht es weiter - oder: stopp. Denn weder
dürfen Keime von innen nach außen dringen - noch von außen nach innen

zu den Tieren. Das könnte die Ergebnisse verfälschen. Die Tiere
bekommen deshalb auch bestrahltes, steriles Futter.

Das Tierwohl habe hohen Stellenwert, betont Staudinger. Die Tiere -
von teils genveränderten Mäusen über Frettchen bis zu Schweinen -
würden von speziellen Züchtern gekauft, artgerecht in Gemeinschaften
gehalten und bauten Beziehungen zu den Pflegern und Forschenden auf.
Versuche, die dem Tier zu viel Leid zufügen könnten, würden
abgelehnt. «Darum sind wir Tierärzte.» Teils würden wieder geheilte

Tiere - speziell Hunde - später an private Besitzer abgegeben.

Im besonders sensiblen S3-Bereich ist Platz für rund 60 Mäuse und 16
größere Tiere. In einer Sicherheitswerkbank können sie steril
untersucht, mit Erregern infiziert oder geimpft werden. Alle Abwässer
laufen in Sammeltanks zusammen und werden bei 121 Grad sterilisiert,
bevor sie in die Kanalisation gelangen.

Riesige Rohre führen in ein unterirdisches, rund 2500 Quadratmeter
umfassendes reines Technik-Geschoss. Darin wird die Luft aus den
Laboratorien zu Filteranlagen geleitet. Mit Wasserstoffperoxid kann
jeder Raum einzeln desinfiziert werden, über gesonderte Rohrsysteme
wird es als Gas eingeleitet. Einmal im Jahr werde der gesamte Trakt
mit H2O2 desinfiziert - eine Aktion, die mehrere Tage dauere und
meist an Weihnachten stattfinde - «wenn wenig los ist», sagt Thein.
Dieses Jahr wird das noch nicht nötig sein. Erstmals soll begast
werden, bevor im nächsten Jahr die ersten S2-Labore in Betrieb gehen.
Bis die ersten Tiere kommen, werden noch ein oder zwei Jahre
vergehen.

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