Rauchfrei bis 2030? Radikale Vorschläge in Englands Anti-Kippen-Kampf Von Benedikt von Imhoff, dpa
Bis 2030 soll England rauchfrei werden. Doch das Datum ist akut in
Gefahr. Radikale Forderungen werden deshalb lauter. Die Regierung hat
zunächst ein Produkt besonders im Blick.
London (dpa) - Winston Churchill ist ein Kriegsgewinner und
Literaturnobelpreisträger - und ein schlechtes Vorbild, wenn es nach
der Regierung in London geht. Denn dass die Briten rauchend durchs
Leben gehen, wie es der berühmte Staatsmann einst tat, soll es bis
spätestens 2030 nicht mehr geben. «Smokefree» lautet das Ziel. Das
bedeutet, dass dann im größten britischen Landesteil England noch
höchstens 5 Prozent der Erwachsenen zu Kippe oder E-Zigarette
greifen. Der Trend sieht eigentlich gut aus. Seit Jahren sinkt die
Zahl der Raucher in Großbritannien. 2022 waren es noch 12,9 Prozent
der Erwachsenen. Das waren etwa 6,4 Millionen Menschen, aber deutlich
weniger als noch ein Jahrzehnt zuvor, als 19,6 Prozent rauchten.
Doch Experten warnen, das Ziel 2030 werde Stand jetzt deutlich
verfehlt. Frühestens 2037 sei mit einem rauchfreien England zu
rechnen, hieß es bereits im Vorjahr in einem unabhängigen Bericht.
Zwar stiegen die Steuern auf Zigaretten im Frühling erneut deutlich
um mehr als 12 Prozent - eine Packung mit 20 Glimmstängeln kostet
seitdem durchschnittlich 14,39 Pfund (16,74 Euro), etwa doppelt so
viel wie in Deutschland.
Doch dabei belässt es die Regierung erst einmal, daher preschen nun
Kommunen vor. Stadträte von 16 Londoner Bezirken forderten in einem
Brief an Gesundheitsminister Steve Barclay und
Kommunalverwaltungsminister Michael Gove, das Rauchen in allen
Sitzbereichen vor Pubs und Restaurants zu verbieten. «Rauchen ist für
viele unserer am stärksten benachteiligten Gemeinden eine große
Belastung und kostet unsere Stadt jedes Jahr drei Milliarden Pfund an
verlorener wirtschaftlicher Produktivität sowie Kosten für
Gesundheits- und Sozialfürsorge», sagte Jim Dickson, Councillor für
den Hauptstadtbezirk Lambeth, der Zeitung «Sun».
Ein entsprechender Zusatz zu einem Gesetz liegt bereits vor. «In der
Bevölkerung besteht ein klarer Konsens darüber, dass Ess- und
Trinkbereiche im Freien frei von Zigarettenrauch sein sollten», sagte
George Young, der den Vorschlag im Oberhaus eingebracht hat. Ein paar
Kommunen, darunter die Großstädte Manchester und Newcastle, haben die
Idee bereits umgesetzt, weil sie nicht auf eine landesweite Regelung
warten wollten. Laut der Initiative Action on Smoking and Health
befürworten knapp zwei Drittel der Menschen ein Rauchverbot in
Sitzbereichen vor Pubs, Restaurants und Cafés. In Innenräumen von
Gaststätten darf bereits seit 2007 nicht mehr gepafft werden.
Geht es nach dem unabhängigen Untersuchungsbericht, sollte die
Regierung noch radikaler vorgehen. Der Vorschlag: Das Verkaufsalter
von derzeit 18 Jahren solle jedes Jahr um zwölf Monate erhöht werden,
«bis hierzulande niemand mehr ein Tabakprodukt kaufen kann».
Die Regierung setzt bisher auf Initiativen. So kündigte sie im April
ein «weltweit erstes» Pilotprojekt an, bei dem eine Million Raucher
ermutigt werden sollen, ihre Kippen gegen E-Zigaretten einzutauschen.
Die sogenannten Vapes gelten für manche Experten als Einstieg in den
Ausstieg. Auch im Untersuchungsbericht von 2022 wird betont: «Wir
wissen, dass E-Zigaretten kein Wundermittel sind und auch nicht
völlig risikolos, aber die Alternative ist weitaus schlimmer.» Nach
Angaben der Organisation Cancer Research UK hängen 500 000
Krankenhauseinweisungen jedes Jahr in England mit Rauchen zusammen.
Die Kosten für die Wirtschaft demnach: 17 Milliarden Pfund im Jahr.
Allerdings zielt die Förderung von Vapes in erster Linie auf
erwachsene Raucher. Für Jugendliche hingegen gelten die oft
poppig-grell gehaltenen und gut zu versteckenden Einweg-E-Zigaretten,
die von außen einem Lippenstift ähneln, als Einstiegsdroge. Kritiker
sind der Ansicht, dass vor allem der fruchtig-süßliche Dampf, der oft
Nikotin enthält, eher auf Minderjährige zielt.
E-Zigaretten seien «kein risikofreies Produkt und machen genauso
süchtig, wenn nicht sogar stärker, als herkömmliche Zigaretten»,
warnt die Kinderärztevereinigung Royal College of Paediatrics and
Child Health. Vapes hätten sich zu einer «Epidemie unter
Minderjährigen entwickelt». 2022 dampften rund 15,5 Prozent der 16-
bis 24-Jährigen, deutlich mehr als im Vorjahr mit 11,1 Prozent.
Die Warnungen haben nun auch die Regierung erreicht. Wie die Zeitung
«Telegraph» berichtete, sollen Einweg-E-Zigaretten verboten werden.
Wissenschaftsministerin Michelle Donelan dementierte das Vorhaben
nicht. Vielmehr sprach die konservative Politikerin im Sender Sky
News von einem sehr besorgniserregenden Trend. Es würden Jugendliche
mit dem Dampfen beginnen, die noch nie zuvor geraucht haben.
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