Rauchfrei, aber nicht tabakfrei: Zigarettenkonzerne setzen auf Sticks Von Wolf von Dewitz, dpa
«Hast du mal Feuer?» - die Frage war früher oft zu hören, ob in
Kneipen oder Clubs. Mit dem seit 2007 schrittweise eingeführten
Rauchverbot hörte das auf. Heute rauchen die Menschen meistens
im Freien. Künftig könnte der Wunsch nach Feuer weiter schwinden.
Dortmund (dpa) - Die Tabakbranche setzt immer stärker auf
Alternativprodukte zu klassischen Zigaretten, um auch künftig
profitable Geschäfte zu machen. Tabakerhitzer, in die Sticks
geschoben werden, spielen hierbei eine große Rolle: Nachdem Philip
Morris und British American Tobacco (BAT) solche Produkte schon vor
einigen Jahren auf den Markt gebracht haben, will Japan Tobacco
International (JTI) im Jahr 2024 als dritter internationaler Konzern
einen Tabakerhitzer auf den deutschen Markt bringen. Die
drei Branchenriesen haben hohe Erwartungen an den künftigen Absatz.
Gesundheitsexperten sehen die Entwicklung jedoch mit Sorgenfalten.
Bei der Dortmunder Messe Intertabac, die am Donnerstag beginnt und
als der weltgrößte Branchentreff gilt, werden die Tabakerhitzer bis
zum Messeschluss am Samstag wieder umfassend beworben werden. Die
Branchengrößen haben jahrzehntelang gut verdient mit klassischen
Kippen, ob «Marlboro» (Philip Morris), «Dunhill» (BAT) oder «Wi
nston»
(JTI). Doch der Zigarettenabsatz geht seit Jahren zurück. Die nicht
brennbaren Produkte sind für die Konzerne nun eine Möglichkeit, das
angeschlagene Tabakwaren-Geschäftsmodell in die Zukunft zu retten.
Dafür wurde viel Geld investiert. Allein Philip Morris hat seit 2008
nach eigenen Angaben 10,5 Milliarden US-Dollar (9,8 Milliarden Euro
)
in die Forschung und Entwicklung sogenannter schadstoffreduzierter
Produkte ausgegeben, zu denen Tabakerhitzer der Marke Iqos gehören.
BAT gibt für «Produkte mit reduziertem Risiko», wie die Firma sie
nennt, jährlich rund 350 Millionen Pfund (407 Millionen Euro) aus,
hierbei sind auch E-Zigaretten und Nikotinbeutel, die man unter die
Oberlippe schiebt, inbegriffen.
Die Tabakerhitzer-Marke von BAT heißt glo, die von JTI Ploom. Bei
diesen Produkten wird Tabak nur heiß gemacht und nicht verbrannt.
Dadurch werden weniger Schadstoffe freigesetzt. Schlecht für
die Gesundheit ist es dennoch. Wie groß der Schaden genau ist, ist
mangels Langzeitstudien noch unklar. «Tabakerhitzer sind abhängig
machende Lifestyle-Produkte mit Gesundheitsrisiko», warnt Katrin
Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum. «Das Aerosol der
Tabakerhitzer enthält schädliche Substanzen, die beim Gebrauch tief
in die Lunge inhaliert werden.»
Der Suchtforscher Daniel Kotz von der Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf sieht die Produkte ebenfalls mit Sorgen. «Tabakerhitzer
enthalten Tabak wie herkömmliche Zigaretten auch», sagt er. Es
bestehe die Möglichkeit, dass die Konsumentinnen und Konsumenten
langfristig die erhitzten Sticks nutzten und dadurch ihre Gesundheit
aufs Spiel setzten. «Es gibt erwiesenermaßen effektive und sichere
Methoden, um mit dem Tabakrauchen aufzuhören, beispielsweise durch
den Einsatz von Nikotinersatzprodukten wie Kaugummis und Sprays.»
Die Gefahren leugnet auch die Tabakindustrie nicht. «Diese Produkte
machen abhängig und sind nicht risikofrei», heißt es von BAT in einer
Fußnote. Beide Firmen betonen, dass sie sich nur an Raucher wenden,
für denen der Umstieg auf die Tabakerhitzer eine bessere Alternative
wäre. Um auf die Iqos-Webseite zu kommen, ist eine Bestätigung nötig,
dass man volljährig ist und Nikotin- oder Tabakprodukte nutzt. Als
Nichtraucher kommt man eigentlich nicht weiter. Eine echte Barriere
ist das aber nicht. Denn wenn man etwas schummelt und angibt, Raucher
zu sein, kommt man doch auf die Werbeseite in Hochglanz-Optik.
Das Geschäft mit den Tabakerhitzern und ihren Sticks ist zwar noch
eine Nische, diese aber wird immer größer. Ihr Anteil
am Tabak-Gesamtmarkt liege in Deutschland bei etwa vier Prozent und
damit ein Prozentpunkt höher als 2021, sagt Jan Mücke,
Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und
neuartigen Erzeugnisse (BVTE). «Jedes Jahr wächst der Markt um circ
a
einen halben Prozentpunkt - das Wachstum wird sich fortsetzen.»
Der Branchenvertreter bewertet die Produkte als wichtiges Angebot an
die Raucher, wenn diese aufhören wollen mit dem Rauchen.
«Viele Menschen wollen nun mal Nikotin aufnehmen und Tabak schmecken
- da ist es doch gut, wenn sie das mit risikoreduzierten Produkten
machen.» Die «Nikotinanflutung» sei ähnlich wie bei einer Zigarette
,
sagt Mücke. Der Umstieg auf Tabakerhitzer falle intensiven Rauchern
daher leichter.
Mücke war früher für die FDP im Bundestag und Staatssekretär
im
Bundesverkehrsministerium. Er ist nicht der einzige Ex-Politiker, der
in Berlin die Werbetrommel für die Tabakbranche rührt: Kürzlich
verpflichtete Philip Morris den früheren Ministerpräsidenten
von Schleswig-Holstein, Torsten Albig (SPD), als obersten Lobbyisten
für Deutschland. «Wir haben uns als Unternehmen das Ziel einer
rauchfreien Zukunft gesetzt, in der die Zigarette durch
schadstoffreduzierte Produkte ersetzt werden soll», sagt Albig. «Wer
raucht, sollte so schnell wie möglich damit aufhören - und wer nicht
aufhört, sollte auf schadstoffreduzierte Alternativprodukte
umsteigen.»
Die «Smoke-Free-Products» von Philip Morris, zu denen in
anderen Staaten auch E-Zigaretten und Nikotinbeutel gehören, machten
zuletzt gut ein Drittel des Konzernumsatzes aus, 2025 soll dieser
Anteil bei 50 Prozent liegen. Derzeit nutzten 27,2 Millionen Menschen
weltweit Iqos, 2025 sollen es 40 Millionen sein. BAT will die Zahl
der Nutzer von nicht brennbaren Produkten des Konzerns von weltweit
24 Millionen Ende 2022 auf 50 Millionen im Jahr 2030 hochschrauben.
Bisher ist es ein Verlustgeschäft, aber 2024 will man hierbei aber
rentabel sein, also Gewinne machen. Das wäre ein Jahr früher als
geplant, sagt eine BAT-Sprecherin. Philip Morris lässt die Frage
unbeantwortet, ob das Iqos-Geschäft noch in den roten Zahlen ist.
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