«Ich will einen dickeren Bizeps» - Hilft da Kreatin? Von Oliwia Nowakowska, dpa
Kreatin ist als Nahrungsergänzungsmittel im Freizeitsport weit
verbreitet. Vor allem Pumper in Fitnessstudios sind Abnehmer. Viele
versprechen sich davon mehr Muskeln. Was steckt dahinter?
Berlin (dpa) - Armin Stolle mischt sich vor dem Training in einem
Fitnessstudio im Berliner Stadtteil Wedding einen kleinen Messlöffel
eines weißen, geruchlosen Pulvers ins Wasser. Schnell trinkt der
26-Jährige die trübe Flüssigkeit aus und belädt eine Langhantel mit
Gewichten. «Das Kreatin nehme ich jetzt seit ungefähr einem
dreiviertel Jahr», sagt er. Normalerweise ist der Freizeit-Sportler
auf einem American Football-Feld unterwegs, aber heute ist das
Krafttraining an der Reihe.
«Fünf Gramm, meistens vor dem Training, und auch an trainingsfreien
Tagen nehme ich davon», fährt Stolle fort. Alle seine
Football-Kollegen, aber auch viele andere sportbegeisterte
Freundinnen und Freunde nehmen es, wie er sagt. Sie sind keine
Ausnahmen: Einer amerikanischen Umfrage zufolge gaben 14 Prozent von
rund 21 000 befragten College-Athleten an, Kreatin einzunehmen.
Schaut man sich in sozialen Netzwerken auch unter deutschen
Fitness-Influencern um, gewinnt man den Eindruck, dass ohne das weiße
Pulver nichts geht. Aber was ist das eigentlich - und ist es sicher?
«Kreatin ist erst einmal eine körpereigene Substanz. Anders als
Vitamine und Mineralstoffe, die wir mit der Nahrung zuführen müssen,
kann Kreatin vom menschlichen Körper selbst gebildet werden», sagt
der Ernährungswissenschaftler Martin Smollich vom
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Das passiere vor allem in
Leber und Niere.
Dann werde es in Muskeln gespeichert, sagt Smollich. «Und hier
entfaltet es seine wichtigste Wirkung. Es dient der schnellen
Energiebereitstellung in Muskelzellen.» Das sei etwa beim
Power-Lifting oder bei Sprints wichtig. Wie der Wissenschaftler
erklärt, können sich Muskeln Energie aus verschiedenen Quellen holen,
neben Kreatin auch aus Zucker und Fett, dafür brauche der Körper aber
mehr Zeit. Dementsprechend helfe das Kreatin zum Beispiel bei einer
langen Joggingeinheit eher nicht, so Smollich.
Schnell und stark muss man auch beim American Football sein. Da hilft
Sportler Stolle Kreatin (nicht zu verwechseln mit dem Haarbestandteil
Keratin und dem Naturfarbstoff Carotin) sehr, wie er zwischen seinen
Kniebeugen sagt. «Ich bin irgendwann einfach an meine Grenzen
gekommen und hab' dann angefangen, es zu nehmen. Jetzt bin ich
schneller und hab' mehr Kraft, kann mehr Gewicht bei den Übungen
heben.»
Der Experte für Muskelphysiologie und Stoffwechsel am Deutschen
Institut für Ernährungsforschung (Dife) Maximilian Kleinert erklärt:
In den Muskelzellen seien die Kreatinspeicher normalerweise bis zu 80
Prozent gefüllt. Mit der Einnahme versuche man die Speicher auf 100
Prozent zu füllen. «Wahrscheinlich reicht das, was wir sowieso schon
haben, aus, aber es gibt eben noch den Tick Luft nach oben.» Durch
diesen Energiepuffer könnten Sportlerinnen und Sportler ihre Gewichte
ein- bis zweimal mehr heben, sagt Kleinert.
Damit erhöhe das Kreatin nicht nur die Leistung innerhalb kurzer
Zeit, sondern auch das Muskelvolumen und die Maximalkraft, sagt
Ernährungswissenschaftler Smollich. Ob eine Einnahme im Freizeitsport
sinnvoll sei, hänge von den persönlichen Zielen ab - man brauche es
nicht. «Aber wenn man sagt: «Ich möchte durch mein Training eine
höhere Maximalkraft und einen dickeren Bizeps haben», dann
beschleunigt Kreatin diesen Prozess.»
Dife-Experte Kleinert stellt fest, dass sich die Vorteile im
Prozentbereich bewegen. «Wenn man natürlich bei den olympischen
Athleten ist, dann können die ein, zwei Prozent natürlich schon den
Unterschied zwischen einer Gold- oder Silbermedaille machen. Aber für
den Freizeitsportler ist es, glaube ich, eher wichtig, sich
vernünftig zu ernähren.»
Apropos Ernährung. Sportler Stolle erzählt auch, dass er kein Fleisch
isst und somit das Kreatin auch nicht mit der Nahrung aufnehmen
könne. Deshalb sei es ihm wichtig, das synthetische Kreatin zu
nehmen. Das bestätigt der Dife-Experte. «Man findet Kreatin in
relativ hohen Konzentrationen in rotem Fleisch und Fisch, und
zusammen mit der körpereigenen Synthese deckt eine ausgewogene
Ernährung unseren Kreatinbedarf ab.» Interessant sei, dass Vegetarier
oder Veganer teilweise niedrigere Level im Muskel hätten. Allerdings
sagt Kleinert auch, dass dies im täglichen Leben nicht weiter schlimm
sei.
Die Einnahme sei Smollich, Kleinert und der Europäischen
Lebensmittelbehörde EFSA zufolge generell unbedenklich. Lediglich
Menschen etwa mit Vorerkrankungen der Niere sollten vorsichtig sein.
Smollich zufolge gibt es eine Gruppe von Menschen, bei denen eine
regelmäßige Kreatineinnahme durchaus auch sinnvoll sei: Ältere
Menschen über 55. Denn Ältere bauen Muskeln stärker und schneller ab,
und das gehe mit einem Funktionsverlust einher. «Das heißt, ältere
Menschen kommen nicht mehr so gut die Treppen hoch, können nicht mehr
so gut einkaufen gehen, sind körperlich einfach schwächer. Hier kann
Kreatin zusammen mit Krafttraining dazu beitragen, dass die
Muskelmasse im Alter länger erhalten bleibt - und damit
Funktionalität und Lebensqualität», erläutert Smollich.
Sportler Stolle ist davon noch weit entfernt. Nehmen will er das
Pulver aber trotzdem weiterhin.
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