Blutspenden wird für schwule Männer leichter - Was ändert sich? Von Mia Bucher, dpa

Blutspender werden künftig nicht mehr nach ihrer sexuellen
Orientierung befragt. Das sieht eine erneuerte Richtlinie der
Bundesärztekammer vor. Was Spender und Empfänger jetzt wissen müssen.


Berlin (dpa) - Homo- und bisexuelle Männer in Deutschland können
künftig leichter Blut spenden. Am Montag tritt eine entsprechende
Erneuerung der sogenannten «Richtlinie zur Gewinnung von Blut und
Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten» der
Bundesärztekammer in Kraft, wie die Organisation am Donnerstag
mitteilte. Ob die neue Regelung ab Montag schon in der Praxis
angewendet wird, hängt einem Sprecher zufolge davon ab, wie schnell
die Blutspendedienste auf einen neuen Fragebogen umstellen.

Die Änderungen seien im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut
sowie unter Beteiligung des Bundesgesundheitsministeriums und des
Robert Koch-Instituts erfolgt, so der Sprecher. Unter anderem
Schwulenverbände hatten die bisherige Praxis als diskriminierend
bewertet.

Was ändert sich mit der neuen Richtlinie?

Um Diskriminierung zu verhindern, erfolgt die Risikobewertung von
Blutspenden künftig unabhängig von der sexuellen Orientierung und der
Geschlechtsidentität. Daher werden Spendeninteressierte nun nicht
mehr nach ihrer sexuellen Orientierung, sondern nach der Anzahl der
Sexualpartner und der Sexualpraxis befragt, wie Johannes Oldenburg,
Arzt und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der
Bundesärztekammer, der Deutschen Presse-Agentur erklärte. Auch
heterosexuelle Menschen müssen also künftig konkret Angaben zu ihrer
Sexualpraxis machen. Dabei wird auch speziell nach Analsex gefragt.

Spezielle Ausschlusskriterien für Männer, die Sex mit Männern haben
(MSM), fallen weg. Außerdem entfällt die Regelung zur Rückstellung
von Transmenschen, die Sex mit häufig wechselnden Partnern haben.
Zudem gibt es bisherige Altersgrenzen künftig nicht mehr. Auch
Über-60-Jährige können damit in Zukunft als Erstspender zugelassen
werden.

Wer darf künftig nicht Blut spenden?

Zurückgestellt wird, wer «innerhalb der letzten vier Monate ein
Sexualverhalten aufgewiesen hat, das ein deutlich erhöhtes
Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere
Infektionskrankheiten birgt». Dazu gehört demnach etwa Sex mit
insgesamt mehr als zwei Personen und Sex mit einer neuen Person, wenn
dabei Analverkehr praktiziert wurde. Ziel der Risikoanalyse ist es,
die Übertragung einer Infektion auf den Empfänger einer Blutspende
möglichst zu verhindern.

Welche Blutspende-Regeln galten bislang in Bezug auf das
Sexualverhalten?

Unabhängig von der Sexualpraxis galt bislang noch als risikoreich,
wenn ein Mann innerhalb der letzten vier Monate Sex mit einem neuen
Mann hatte. Bei Sexualverkehr zwischen Frau und Mann wurde hingegen
für vier Monate nur zurückgestellt, wer «häufig wechselnde
Partner/Partnerinnen» hatte.

Was ist Auslöser für die Änderung?

Im März beschloss das Parlament, «eine unvertretbare, medizinisch
unnötige Diskriminierung» homosexueller Männer bei Blutspenden zu
beseitigen, wie es Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte.
Das Gesetz gab der Bundesärztekammer eine entsprechende Änderung der
Richtlinie vor. Im Transfusionsgesetz wurde dafür festgelegt, dass
die sexuelle Orientierung bei der Bewertung des Risikos, das zu einem
Ausschluss oder einer Rückstellung von Blutspenden führt, nicht
berücksichtigt werden darf. Eine Einschätzung solle aber nach dem
«individuellem Sexualverhalten der spendewilligen Person» möglich
bleiben.

Wieso galten für homo- und bisexuelle Männer bislang andere
Kriterien?

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts zeigen epidemiologische Daten,
dass Sex unter Männern mit einem besonders hohen Übertragungsrisiko
für verschiedene Infektionen einhergeht. Etwa zwei Drittel der
jährlichen Neuinfektionen mit HIV fielen auf MSM. Auch bei
Syphiliserkrankungen, bei denen der Infektionsweg bekannt sei, wurden
dem RKI zufolge 85 Prozent aller Erkrankungen auf Sex unter Männern
zurückgeführt (Stand: September 2021). Bis 2017 durften MSM und
Transmenschen deswegen sogar gar nicht Blut spenden.

Welche Vorsichtsmaßnahmen gelten bei der Blutspende?

Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden
täglich 15 000 Blutspenden für Operationen, zur Versorgung von
Unfallopfern und für die Behandlung schwerer Krankheiten benötigt. Um
eine sichere Versorgung zu garantieren, werden alle Blutspenden im
Labor auf spezielle Infektionskrankheiten untersucht, etwa auf HIV,
Syphilis und Hepatitis B, C und E.

Transfusionsmediziner Oldenburg zufolge wird die Spende etwa auch auf
eine Infektion mit dem West-Nil-Virus überprüft. Allerdings könnten
die Tests keine absolute Sicherheit geben, auch wenn sie äußert
sensibel seien. Vor allem sehr neue Infektionen können erst nach
einer gewissen Zeit im Blut nachgewiesen werden. Daher müssen
Spendeninteressierte vor einer Spende einen umfangreichen Fragebogen
zu ihrer Gesundheit ausfüllen und ein Arztgespräch führen.

Sind Blutprodukte auch mit der neuen Regelung noch sicher?

«An der Sicherheit der Blutprodukte ändert sich nichts», versicherte

Oldenburg. Das zeigten auch Erfahrungsberichte aus anderen Ländern,
die ihren Fragenkatalog bereits entsprechend angepasst hätten. Auch
wenn künftig nicht mehr explizit nach der sexuellen Orientierung
gefragt werde, würden mögliche Risiken ebenso gut erfasst. Auch über

den Wegfall der Altersgrenze müssten potenzielle Blutspendenempfänger
sich keine Sorgen machen. «Die Qualität des Blutes wird durch das
Alter nicht beeinträchtigt.» Die bisherige Regelung sei zum Schutz
von Spendern eingerichtet worden, weil ältere Menschen zum Teil
Kreislaufprobleme oder Bluthochdruck hätten.

Was sagen Betroffene dazu?

Die Deutsche Aidshilfe bezeichnete die Gesetzesänderung der
Ampel-Koalition im März als «großen Fortschritt». Inwieweit
Diskriminierung künftig wirklich vermieden werde, könne erst mit der
Veröffentlichung der Richtlinie am 4. September beurteilt werden,
sagte Sprecher Holger Wicht auf Anfrage. «Es geht darum,
Diskriminierung zu vermeiden und gleichzeitig Sicherheit zu
gewährleisten», sagte Wicht. Der Verein hatte die bisherige Regelung
immer wieder als diskriminierend bezeichnet, weil sie schwule Männer
zu pauschal und ohne ausreichende Begründung ausschließe.

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