«Kompletter Kontrollverlust» - Kritik an Cannabis-Legalisierung
Das Bundeskabinett will den umstrittenen Gesetzentwurf für eine
Cannabis-Legalisierung auf den Weg bringen. Für einige ist die Reform
längst überfällig. Andere hingegen befürchten Schlimmes.
Berlin (dpa) - Kurz vor der geplanten Befassung des Bundeskabinetts
mit der avisierten Cannabis-Legalisierung in Deutschland ist noch
einmal harsche Kritik an dem Vorhaben laut geworden. Die Gewerkschaft
der Polizei (GdP) sieht massiven Nachbesserungsbedarf bei den Plänen.
Auch mehrere CDU-Politiker bekräftigten ihre Vorbehalte.
Inkrafttreten für Jahresende geplant
Das Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bringt den
Gesetzentwurf voraussichtlich an diesem Mittwoch auf den Weg.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will den Entwurf am Mittag
öffentlich vorstellen. Später müssen Bundestag und Bundesrat darübe
r
beraten. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums ist das
Gesetz in der Länderkammer aber nicht zustimmungspflichtig. Ein
Inkrafttreten ist laut Ministerium für Ende des Jahres vorgesehen.
Cannabis soll den Plänen zufolge im Betäubungsmittelgesetz von der
Liste der verbotenen Substanzen gestrichen werden. Ab 18 Jahren soll
künftig der Besitz von 25 Gramm erlaubt sein. Privat sollen maximal
drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden dürfen. In speziellen
Vereinen, sogenannten Cannabis-Clubs, sollen Mitglieder die Droge
gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.
Warnungen vor mehr Arbeit für Polizei und Justiz
Der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke, sagte der Deutschen
Presse-Agentur, trotz breiter Kritik habe Lauterbach nur kleine
Änderungen vorgenommen. Das Beste sei, wenn die Bundesregierung den
Entwurf jetzt stoppe und Lauterbach die Aufgabe erteile, massiv
nachzubessern. Es fehle eine ausreichend lange Übergangsphase, was
«zwangsläufig zu massiven Unsicherheiten, wenn nicht Konflikten
zwischen Behörden und Bevölkerung» führen werde, bemängelte Kopel
ke.
Der Polizei werde der Entwurf große Probleme bereiten. Polizei und
Justiz würden nicht ent-, sondern vielmehr belastet. In einer
früheren Stellungnahme hatte die GdP auch Befürchtungen geäußert,
dass der Schwarzmarkt wachsen und die Verkehrssicherheit leiden
würden.
Auch die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Herbert
Reul und Armin Schuster, sowie Hessens Justizminister Roman Poseck
(alle CDU) sehen den Gesetzentwurf der rot-grün-gelben Koalition
kritisch. «Mit diesem Gesetz wird ein kompletter Kontrollverlust
verbunden sein», sagte Schuster dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(RND). Reul warnte, die Ampel-Koalition werde damit Polizei und
Justiz nicht etwa weniger, sondern stärker belasten. Poseck warf der
Ampel-Koalition vor, einen «faulen Kompromiss» geschlossen zu haben,
«der Nachteile auf allen Seiten mit sich bringt».
Der Deutsche Richterbund hatte bereits erklärt, die vielen speziellen
Regeln zu Cannabis-Clubs und zum Anbau und zur Abgabe der Droge, die
mit der Legalisierung kommen sollen, müssten kontrolliert und
Verstöße geahndet werden. Der Berufsverband befürchtet daher mehr
Arbeit für die Justiz. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)
sagte hingegen den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch): «Ich
bin sehr zuversichtlich, dass eine pragmatischere Drogenpolitik zu
einer Entlastung der Gerichte führen wird.» Es werde beobachtet, wie
sich das Gesetz in der Praxis bewähre. «Generell gilt: Wenn Menschen
auf legale Weise Cannabis kaufen und konsumieren können, werden die
Fälle weniger, die vor Gericht landen», so Buschmann.
Regeln für Autofahrer?
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) strebt für Autofahrer
Grenzwerte an. «Wir prüfen, wie die Grundlage für einen Grenzwert f
ür
Cannabis im Rahmen der Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 24a
Straßenverkehrsgesetz auf wissenschaftlicher Basis ermittelt und
geschaffen werden kann», sagte eine Ministeriumssprecherin der «Bild»
(Mittwoch). Der Paragraf legt die Promille-Grenze beim Alkohol fest,
ab der Autofahrer ordnungswidrig handeln.
Hoffnung auf mehr Kinder- und Jugendschutz
Die rechtspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Carmen Wegge,
sprach sich für eine Legalisierung der Droge aus. «Der Vorteil der
Cannabis-Legalisierung ist, dass wir zum einen den Kinder- und
Jugendschutz stärken werden, dass wir den Gesundheitsschutz in den
Vordergrund stellen und den Schwarzmarkt bekämpfen», sagte sie der
Deutschen Presse-Agentur. «Wir stellen fest, dass das Cannabis-Verbot
dazu geführt hat, dass eigentlich gar keine Aufklärungsarbeit an
Schulen stattfindet.» Jugendliche unter 18 Jahren, die mit Cannabis
aufgegriffen werden, sollen nach den Gesetzesplänen zu
Präventionskursen verpflichtet werden können.
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