Aufklärung und reiner Stoff: Cannabis-Clubs in den Startlöchern Von Daniel Josling, dpa

Der Cannabiskonsum boomt. Seitdem Gesundheitsminister Lauterbach die
Eckpunkte für die Freigabe vorgelegt hat, sprießen überall
Cannabis-Clubs aus dem Boden. Die Industrieproduzenten fordern mehr
Einfluss.

Dresden (dpa/sn) - Bald kann es losgehen: Von der Decke des
Hanfladens «Sanaleo» in der Dresdner Neustadt baumeln diverse
Hängepflanzen. Auf einem Regal an der Wand sind mehrere kleine
Glasbehälter aufgereiht, in denen getrocknete Cannabisblüten zu sehen
sind. Der Ladenbesitzer, Martin Reuter, gibt Entwarnung. Der Verkauf
von CBD (Cannabidiol) ist völlig legal. Denn der berauschende
Cannabis-Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) liegt bei unter 0,2
Prozent. Mit dem geplanten Cannabis-Gesetz der Ampel-Regierung soll
sich das jedoch bald ändern. Dann könnte auch Stoff verkauft werden,
das «high macht» - also die Wahrnehmung verändert.

Cannabis für den medizinischen Gebrauch gibt es in Deutschland
bereits seit 2017. Die Bundesregierung will einen Schritt weitergehen
und den Anbau und die Abgabe von Cannabis innerhalb von Vereinen mit
bis zu 500 Mitgliedern unter womöglich strengen Regeln erlauben.
Zudem sollen Erwachsene 25 Gramm des Rauschmittels besitzen sowie
maximal drei Pflanzen für den Eigenbedarf anbauen dürfen.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechnete zuletzt damit,
dass sich das Kabinett diese Woche mit dem Gesetzentwurf befasst. Es
werde «noch kleine Änderungen geben».

Viele Cannabis-Enthusiasten sitzen für die Freigabe bereits in den
Startlöchern. Allein in Dresden gebe es schon einige Vereine, erzählt
Reuter. Auch er habe zusammen mit Freunden einen Club gegründet.

Einer Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zufolge hat
etwa jeder vierte erwachsene EU-Bürger Cannabis schon einmal in
irgendeiner Form ausprobiert. Und es würden immer mehr Menschen, sagt
der Suchtexperte Jakob Manthey vom Universitätsklinikum Leipzig: «Die

Zahl der Konsumenten ist in den letzten Jahren stark gestiegen. 2010
haben rund drei Millionen Menschen in Deutschland angegeben, dass sie
im letzten Jahr mindestens einmal Cannabis konsumiert haben.»

Diese Zahl sei um 70 Prozent angestiegen. «In den Jahren 2020
beziehungsweise 2021 lag die Konsumentenzahl bei rund fünf Millionen
Menschen.» Zwar sei der Konsum vor allem bei jungen Menschen
verbreitet. «Der Anstieg ist aber nicht durch Jugendliche, sondern
vor allem durch Menschen über 30 Jahren zustande gekommen», erklärt
Manthey. Der Konsum bei Jugendlichen sei in den vergangenen Jahren
nicht signifikant gestiegen.

Gleichzeitig melden Ärzte und Psychotherapeuten eine Verdreifachung
der Diagnosen für cannabisbezogene Störungen. Der Konsum kann etwa zu
Halluzinationen oder Stimmungsveränderungen führen. Während der Trend

bei Alkohol langfristig eher nach unten gehe, nehmen Manthey zufolge
die Probleme durch den Cannabiskonsum zu. «Jetzt müssen wir
überlegen, wie begleiten wir das als Gesellschaft, damit es nicht
weiter zunimmt und damit den Leuten geholfen wird.»

Die Legalisierung sei dennoch ein Schritt in die richtige Richtung,
findet Manthey. «Gut finde ich, dass sich die Bundesregierung
Gedanken darüber macht, wie mit Cannabiskonsum in der Gesellschaft
umzugehen ist, weil das ein Phänomen ist, welches uns schon seit
einer Weile begleitet.»

Auch der CBD-Ladenbesitzer Reuter begrüßt die Pläne der
Ampel-Koalition. Ihm sei vor allem wichtig, «dass man über die
Thematik aufklärt und das auch mit einem gewissen moralischen Kompass
macht». Eine Entkriminalisierung bedeute eine wesentliche
Verbesserung der Konsumbedingungen ohne Angst vor Strafverfolgung und
eine Minimierung der gesundheitlichen Risiken.

Für ihn sei zunächst wichtig, mit anderen Clubs im Dresdner Umland zu
netzwerken. Im September sei deshalb eine Veranstaltung geplant. Bis
dahin werde hoffentlich auch klar sein, wie genau die Freigabe
ablaufen werde.

«Wenn sich eine Cannabis-Industrie in Deutschland etablieren sollte,
dann wird es sicherlich auch viele engagierte Menschen geben, die
darauf Lust haben und darin eine Perspektive für sich finden», meint
Reuter. Zudem könne er sich gut vorstellen, künftig mit etablierten
industriellen Cannabis-Produzenten zusammenzuarbeiten. Bislang sehen
die Pläne der Bundesregierung allerdings keinen freien Verkauf von
Cannabis in Fachgeschäften vor. Dies soll erst in einem zweiten
Schritt in Modellregionen mit wissenschaftlicher Begleitung erprobt
werden. 

Dass industrielle Produzenten in den Plänen der Regierung aktuell
nicht vorgesehen sind, sei ein Fehler, meint das Pharmaunternehmen
Demecan im sächsischen Ebersbach. Der Konzern hofft weiterhin auf
eine Einbindung in die Produktion von Genuss-Cannabis. Bislang darf
das Unternehmen ausschließlich medizinisches Cannabis produzieren.
«Eigenanbau ist in Ordnung. Aber wenn man die Ziele des Gesetzes,
nämlich Produktqualität, Gesundheitsschutz oder eine sichere
Versorgung gewährleisten will, dann muss man auch den Anbau ein Stück
weit professionalisieren», sagt Co-Gründer Constantin von der
Groeben. Sonst gehe das Gesetz an der eigentlichen Intention vorbei.

«Man sollte die Zusammenarbeit zwischen den Anbauern, den
Club-Mitgliedern und einem professionellen Anbauer auf jeden Fall
zulassen und sogar fördern.» Indem die Bundesregierung große
Wirtschaftsunternehmen aus der Produktion von Genuss-Cannabis
ausschließe, werde «die massive Diskriminierung der deutschen Anbauer
von medizinischem Cannabis fortgesetzt». Der Wirtschaftsfaktor für
Deutschland dürfe bei den Plänen der Bundesregierung nicht vergessen
werden.