FDP verlangt mehr Tempo bei neuem Rettungsdienstplan
Nachdem die obersten Verwaltungsrichter in Baden-Württemberg den
Rettungsdienstplan des Landes teilweise einkassiert haben, verlangt
die FDP Klarheit, wie es nun weitergeht. Im Fokus steht das Thema
Hilfsfristen.
Stuttgart (dpa/lsw) - Wie schnell müssen Rettungskräfte bei einem
Verletzten sein? Nach dem Veto des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) für
den neuen Rettungsdienstplan fordert die oppositionelle FDP das Land
auf, die künftigen Kriterien für das Rettungswesen festzulegen. Für
die Liberalen ist der Appell des Gerichts, die geplanten Hilfsfristen
zu überarbeiten, eine Schlappe für das zuständige Innenministerium.
«Die juristische Fehlleistung des Ressorts von Minister Thomas Strobl
(CDU) behindert eine Verbesserung des Systems», sagte Nico Weinmann,
Fraktionsvizechef und Experte für Bevölkerungsschutz.
Strobl hatte eine Expertise zur kreisübergreifenden Notfallversorgung
und den Auswirkungen der geplanten Zwölf-Minuten-Frist gestoppt bis
neue Planungskriterien erarbeitet worden sind. Nach dem
ursprünglichen Zeitplan hätte das landesweite Strukturgutachten zum
Ende des Jahres 2023 vorliegen sollen.
Staatssekretär Thomas Blenke (CDU) kündigte am Montag an, das
Ministerium gebe den Gesetzentwurf dieser Tage an die betroffenen
Ministerien zur Anhörung. Im Herbst soll er dann in den Landtag
gehen. «Wir wollen einen Rettungsdienst, der auch in Zukunft die
wachsenden Herausforderungen bewältigen kann», erklärte Blenke. «Da
zu
wollen wir die Strukturen im Rettungsdienst stärken und die
Regelungen zur Hilfsfrist konkretisieren - damit diese als
rechtssichere Planungsgrundlage herangezogen werden können.»
Weinmann sagte: «Strobl muss schleunigst liefern, damit die
Begutachtung weitergehen kann.» Auch die größte Hilfsorganisation im
Land, das Deutsche Rote Kreuz (DRK), wartet auf die neuen Vorgaben
von Grün-Schwarz. «Der Ball liegt nun in der Spielfeldhälfte des
Landes», sagte Verbandssprecher Udo Bangerter.
Der VGH hatte moniert, dass Hilfsfristen im Rettungsplan 2022 ohne
Beachtung der bisherigen Regelung und ohne Einbeziehung des Landtags
verändert worden seien. Als neue Spanne zwischen dem Ende der Annahme
eines Notrufs und dem Eintreffen des Rettungsdienstes am Notfallort
waren zuletzt zwölf Minuten vorgesehen. Diese Vorgabe hat der VGH für
unwirksam erklärt. Bisher sollte die Hilfsfrist in 95 Prozent der
Notfälle möglichst 10, höchstens aber 15 Minuten betragen.
Das Ministerium arbeitet nach eigenen Angaben an einem Gesetzentwurf,
«der dazu beitragen soll, dass der Rettungsdienst auch in Zukunft in
der Lage ist, die wachsenden Herausforderungen zu bewältigen». Ein
Baustein sind die Regelungen zur Hilfsfrist, die laut Ministerium
keine Aussagekraft über die Qualität der Notfallrettung haben,
sondern als Planungsgröße dienen. Wichtig sei die neu aufzunehmende
sogenannte Prähospitalzeit zwischen Anrufannahme über Ausrücken der
Rettungswagen bis zur Ankunft des Patienten in der Klinik sowie die
leitliniengerechte Versorgung, etwa bei Herzinfarkt.
«Ambitioniert und herausfordernd» findet Bangerter die avisierte
Hilfsfrist. Sie stelle im Vergleich zum bisherigen Höchstwert eine
Verbesserung um 20 Prozent dar. Bei Herzinfarkt entscheide jede
Minute über Leben und Tod. Allerdings gebe es Grenzen: «Man kann ja
auch nicht an jeder Ecke einen Rettungswagen platzieren.» Das Land
müsse bei der Umsetzung von neuen Rettungsfristen Übergangsregeln
vorsehen. «Bleibt es bei zwölf Minuten, wird es ohne zusätzliche
Rettungswachen, zusätzliche Rettungswagen und mehr Beschäftigte nicht
gehen.» Das DRK beschäftigt 3400 Notfallsanitäter im Südwesten,
gefolgt vom Arbeiter-Samariter-Bund mit 470.
Der Rettungsdienst in Baden-Württemberg finanziert sich über
Benutzungsentgelte, die zwischen Leistungsträgern und Krankenkassen
vereinbart werden. Daneben bezuschusst das Land den Bau von
Rettungswachen. In einem Zwölf-Punkte-Programm für die Novelle des
Rettungsdienstgesetzes weisen die Hilfsorganisationen auf einen stark
steigenden Finanzbedarf aufgrund von Preissteigerungen, Erweiterungen
und Erhalt der Infrastruktur hin. Deshalb müssten sich Finanzierung
und Zuschüsse an den aktuellen Baupreisentwicklungen orientieren und
im Staatshaushalt dafür ausreichende Mittel zur Verfügung stehen.
Schon bisher scheiterten die meisten der 35 Rettungsdienstbereiche an
den vorgeschriebenen Hilfsfristen: Stand Mai 2023 übertrafen nur zwei
Bereiche die Marke von 15 Minuten in 95 Prozent aller Fälle. Mannheim
kam auf 95,36 Prozent, Göppingen auf 96,1 Prozent. Schlusslicht war
Karlsruhe mit 85,3 Prozent.
Nach Einschätzung Bangerters werden die Hilfsfristen in keinem
Bundesland flächendeckend eingehalten. Sie seien eine Planungsgröße,
auf die Krankenkassen, Hilfsorganisationen und Land im Verbund
reagieren müssten, wenn sie unterschritten werden.
Die Zahl der Einsätze von Rettungswagen im Südwesten stieg laut der
Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst
von 1,024 Millionen im Jahr 2019 auf rund 1,035 Millionen in 2021.
Coronabedingt waren Rettungswagen 2020 nur 926 000 Male ausgerückt.
Bangerter erklärte den Trend mit der veränderten Struktur des
Gesundheitswesens und einer alternden Bevölkerung. Auf dem Land
fehlten Hausärzte und kleine Kliniken. Die Notfallpraxen seien weit
weg und das familiäre Umfeld, das Kranken früher mit Rat und Tat zu
Hilfe kam, gebe es nicht mehr. «Kein Wunder, dass die Menschen rasch
auf die 112 zurückgreifen», resümierte Bangerter.
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