Anstoß zu mehr Unterstützung für Long-Covid-Kranke Von Sascha Meyer, dpa

Sorgen um Corona sind bei vielen in den Hintergrund getreten - und
Schutzregeln längst passé. Doch Tausende Erkrankte haben noch immer
teils schwere Gesundheitsprobleme. Können sie auf mehr Hilfe zählen?

Berlin (dpa) - Für Menschen mit langwierigen Beeinträchtigungen nach
Corona-Infektionen sollen mehr Unterstützungsangebote in Sicht
kommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellte am Mittwoch
ein Long-Covid-Programm vor, das unter anderem ein Informationsportal
und 40 Millionen Euro als Forschungsförderung vorsieht. «Für Menschen

mit Long Covid ist die Pandemie leider noch nicht beendet», sagte der
SPD-Politiker in Berlin. Sie litten unter den Folgen, warteten auf
Forschungsergebnisse, Therapien und gute Versorgung. Die Initiative
soll auch einen Anstoß geben, dass sich mehr Ärztinnen und Ärzte
engagieren - denn Anlaufstellen sind rar und Wartezeiten oft lang.

Lauterbach erläuterte: «Die Zukunft von Long Covid hat leider erst
begonnen.» Auch Geimpfte und bereits Infizierte könnten bei weiteren
Infektionen betroffen sein, so dass dies noch an Bedeutung gewinnen
werde. Dabei sei davon auszugehen, dass zwischen 6 und 15 Prozent der
Infizierten an Long Covid erkranken. Darunter versteht man teils
schwere Beschwerden, die nach einer akuten Krankheitsphase von vier
Wochen fortbestehen oder dann neu auftreten. Post Covid beschreibt
das Krankheitsbild mehr als zwölf Wochen nach einer Corona-Infektion.

Dabei sei das Infektionsgeschehen in Deutschland aktuell zum Glück
«sehr ruhig», sagte Lauterbach. Es gebe im Moment auch keinen Hinweis
darauf, «dass es eine von uns nicht beobachtete Welle gäbe». Die
Long-Covid-Inititiative des Ministeriums hat drei Elemente:

- Information: Auf dem neuen Internetportal (www.bmg-longcovid.de)
sollen Empfehlungen zur Behandlung und Erkenntnisse zum Stand der
Wissenschaft abrufbar sein - sowie auch Angaben, wo man Angebote in
Kliniken und Praxen finden kann. Informationen gibt es demnach
jeweils für Erkrankte, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber auch
für Ärztinnen und Ärzte. Denn Spezialsprechstunden für Menschen mit

Long Covid gibt es bisher zu wenig, wie Lauterbach erläuterte.

- Forschung: Für die Förderung von Modellprojekten zu Versorgungs-
und Behandlungskonzepten sollen 21 Millionen Euro aus dem Bundesetat
2024 bereitgestellt werden. Weitere 20 Millionen Euro sollen über
einen Fonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und
Krankenkassen mobilisiert werden. Angepeilt waren einst 100 Millionen
Euro, wie Lauterbach selbst einräumte. In der prekären Haushaltslage
seien die insgesamt 40 Millionen Euro aber «eine große Initiative».

- Vernetzung: Am 12. September plant Lauterbach einen «Runden Tisch»
mit verschiedene Akteuren - etwa Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen,
Pharmabranche und Selbsthilfe-Organisationen. Weitere Runden sollen
folgen. Es gehe darum, Experten und Betroffene zusammenzubringen, um
Ideen für eine bessere Versorgung zu entwickeln, sagte der Minister.

Der Bedarf an Forschung, neuen Medikamenten und besserer Betreuung
ist groß, wie Fachleute seit längerem mahnen. Krankheitsbilder nach
Infektionen habe es schon vor der Pandemie gegeben - nun sei es aber
eine neue Dimension, sagte die Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an
der Berliner Charité, Carmen Scheibenbogen. Momentan sei nach Zahlen
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einer von 30 Europäern an Long
Covid erkrankt, auf Deutschland umgerechnet seien das 2,5 Millionen
Menschen. Mit Post Covid waren Ende vergangenen Jahres knapp 335 000
Menschen in Arztpraxen in Behandlung, teilte das Zentralinstitut für
die kassenärztliche Versorgung (Zi) nach Abrechnungsdaten mit.

Die Krankheitssymptome sind uneinheitlich: von anhaltender Schwäche
und Erschöpfung, teils verstärkt schon bei leichten Belastungen, über

Probleme beim Atmen bis zu Herz-Kreislauf-Beschwerden. Manche
Betroffene können auch nicht mehr berufstätig sein. Dabei gibt es
noch kein flächendeckendes Netz von Anlaufstellen. Scheibenbogen
appellierte an Ärzte, sich fortzubilden und Betroffenen zumindest
eine Grundversorgung zukommen zu lassen. Mit dem Behandeln von
Schmerzen oder Schlafstörungen könne vielen schon geholfen werden.

Die 40-Millionen-Förderung soll nun zumindest ein Anstoß sein. Bis
Modellprojekte in die reguläre Versorgung kommen, braucht es dann
noch Zeit. Und nötig sind auch deutlich größere Investitionen, wie
der Direktor der Kardiologie am Universitätsklinikums Marburg,
Bernhard Schieffer, deutlich machte: «Wir brauchen eine Dekade der
Long-Covid-Forschung.» Da Heilung noch nicht möglich ist, stehen
Entwicklung und Zulassung von Medikamenten im Fokus. Lauterbach und
Scheibenberg mahnten auch mehr Aktivität der Pharmabranche an. Die
Charité-Expertin warnte mit Blick auf volkswirtschaftliche Schäden
von Long Covid: «Das Teuerste wird sicher sein, nichts zu tun.»