Tod durch Sauerstoffmangel - «Der Prozess dauert lange»

Berlin (dpa) - Noch ist völlig unklar, was mit dem Tauchboot «Titan»

im Atlantik passiert ist. Sollte es aber noch intakt sein, setzt der
vorhandene Sauerstoffvorrat Grenzen für ein Überleben an Bord. «Es
gibt schönere Tode», sagt Lungenfacharzt Rainer Schädlich. «Der
Prozess dauert lange, da sich der Sauerstoff langsam aufbraucht und
zusätzlich CO2 durch Atmung entsteht.»

Üblicherweise enthält Luft etwa 21 Volumenprozent Sauerstoff (O2).
Steigt der Anteil an Kohlendioxid, sinkt der von O2. «Sinkt der
Sauerstoffgehalt unter 15 Volumenprozent, wird die körperliche und
geistige Leistungsfähigkeit zunehmend vermindert», so Schädlich, der

Facharzt für Innere Medizin, Lungen-und Bronchialheilkunde,
Allergologie und Umweltmedizin in Straelen ist.

Zwar hätten Tauch- und U-Boote Kohlendioxid-Filter, um das Gas
aufzufangen, erklärt Professor Stefan Kluge, Direktor der Klinik für
Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Aber:
«Sind die Kapazitäten der Kohlendioxid-Filter erschöpft, dann steigt

das Kohlendioxid an.»

Bei zunehmendem Sauerstoffmangel kommt es demnach zu Kopfschmerzen
sowie zu Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, aber auch Atemnot,
Verwirrtheit, Schwindel und Benommenheit bis zur Apathie. «Die bei
einem Sauerstoffmangel auftretenden Symptome, insbesondere die
Atemnot, können sehr unangenehm sein. Insofern würde ich nicht von
einem milden Tod sprechen.»

Wie schnell der Sauerstoff verbraucht werde, hänge stark von Atmung
und Aktivität der Menschen an Bord ab, sagt der Hamburger
Intensivmediziner. Wenn man so wenig wie möglich tue oder schlafe,
sei der Verbrauch wesentlich geringer als bei hektischem Tun oder
Panik. Beim Tauchboot komme hinzu, dass es womöglich tief unten in
eisiger Kälte liege. Wenn es auch im Inneren der «Titan» kalt sei,
könnten die Menschen an Bord aufgrund des Muskelzitterns einen
erhöhten Sauerstoffverbrauch haben.

Das bei Sauerstoffmangel am schnellsten geschädigte Organ sei das
Gehirn, so Kluge. Selbst wenn im Zustand der Bewusstlosigkeit eine
Rettung erfolge, drohten irreversible Schäden. «Eine zeitnahe
Sauerstoffgabe kann in einzelnen Fällen schwere Schäden vermeiden.»


Sauerstoff ist lebensnotwendig für die Energiegewinnung in den
Zellen, die sogenannte Zellatmung, wie Schädlich erklärt. «Ohne
ausreichende Sauerstoffzufuhr werden die Zellen geschädigt.»

Schädlich sieht für die Männer auf der «Titan» aus historischer S
icht
nicht viel Anlass zu Hoffnung: «In der Geschichte gesunkener U-Boote
sind mehr Männer gestorben als überlebt haben», sagte er. Ihr
Todeskampf habe verschiedene Phasen: «Am Anfang versuchen sie noch
hektisch, die mechanischen Probleme zu lösen. Es folgt eine ruhigere
Phase angespannten Schweigens und Nachdenkens.» Dann kämen die ersten
Symptome, später Bewusstlosigkeit und der Tod.