Baerbock und Heil in Brasilien auf Werbetour um Pflegekräfte Von Jörg Blank und Denis Düttmann, dpa
Die Außenministerin und der Arbeitsminister besuchen gemeinsam das
einwohnerstärkste Land Lateinamerikas. Am ersten Tag steht nicht die
klassische Außenpolitik im Mittelpunkt.
Brasilia (dpa) - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und
Außenministerin Annalena Baerbock sehen gute Chancen, die Anwerbung
qualifizierter Pflegekräfte aus Brasilien weiter anzukurbeln.
«Brasilianische Pflegekräfte und kolumbianische Elektriker finden in
Deutschland bereits offene Arme. Diese Partnerschaft wollen wir
ausbauen», sagte Baerbock über den an diesem Montag beginnenden
gemeinsamen Besuch in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia. Heil
erklärte, man wolle «in Brasilien für Deutschland als attraktiven
Standort mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen werben».
Baerbock (Grüne) und Heil (SPD) waren am späten Sonntagabend
(Ortszeit) nach einem mehr als elfstündigen und knapp 10 000
Kilometer langen Flug in dem mit etwa 215 Millionen Menschen
einwohnerstärksten Land Lateinamerikas eingetroffen. Brasilien ist
das einzige Land in der Region, mit dem Deutschland seit 2008 durch
eine strategische Partnerschaft verbunden ist. Es ist zudem
wichtigster Handelspartner Deutschlands in Südamerika.
Heil: Können Win-win-win-Situation schaffen
Besonders in qualifizierten Pflegeberufen sei der Bedarf an
Fachkräften in Deutschland groß, während es in Brasilien einen
Überhang an gut ausgebildeten Pflegekräften gebe, sagte Heil vor der
Abreise. «Daraus können wir eine klassische Win-win-win-Situation
schaffen, bei der alle profitieren.» Deutschland bekomme
qualifizierte Fachkräfte. Brasilien profitiere, «etwa indem wir uns
in der Ausbildung vor Ort engagieren». Die Arbeitslosenquote bei
Pflegerinnen und Pflegern liege in Basilien bei zehn Prozent.
Der Arbeitsminister wollte am Montag bei einem Termin in einer
Ausbildungsstätte für Pflegeberufe der Katholischen Universität
Brasilia (UCB), einem Treffen mit seinem brasilianischen Kollegen
Luis Marinho und einem Besuch bei der brasilianischen Pflegekammer
Cofen über den Ausbau der Anwerbung von Pflegekräften sprechen. Nach
Angaben Heils arbeiten derzeit bereits bis zu 200 brasilianische
Pflegekräfte in Deutschland.
Die UCB ist die zweitgrößte Hochschule in der Hauptstadt. In einem
vierjährigen Studiengang werden Pflegekräfte mit Bachelor-Abschluss
ausgebildet. Mit Marinho war die Unterzeichnung einer gemeinsamen
Erklärung zu Arbeitnehmerrechten, zur sozialen Verantwortung von
Unternehmen und zu Lieferketten geplant.
Bundesagentur betreut mehr als 370 brasilianische Pflege-Bewerber
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat mit der Pflegekammer Cofen im
Juni 2022 eine Absprache zur Vermittlung von Pflegefachkräften
unterzeichnet. Die Kammer hat rund 2,5 Millionen Mitglieder. In dem
Abkommen stehen Regeln zur Bewerberauswahl, zum Vermittlungsprozess,
zum Spracherwerb und zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen.
Für Gesundheitsberufe bestehen bei der Anerkennung in Deutschland
nach Angaben der Bundesregierung gute Aussichten. In der Regel seien
aber Anpassungsqualifizierungen nötig. Für eine vollständige
Anerkennung dauerten derartige Maßnahmen oft drei bis acht Monate.
Die BA rekrutiert seit 2018 brasilianische Fachkräfte für den
deutschen Arbeitsmarkt. Derzeit betreut sie nach eigenen Angaben 374
Bewerber aus Pflegeberufen, 43 aus technischen und Handwerksberufen
sowie 42 aus Ingenieur- und IT-Berufen. Laut Heil hält die BA die
Anwerbung von bis zu 700 Pflegekräften pro Jahr für möglich.
Wie steht Baerbock zu Lulas «Friedensclub»-Plänen?
Für Baerbock dürften bei ihren Gesprächen das Verhältnis der
Gastgeber zum russischen Präsidenten Wladimir Putin im Angriffskrieg
auf die Ukraine sowie die Themen Klima und Umwelt im Mittelpunkt
stehen. Neben einem Treffen mit dem außenpolitischen Berater von
Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, dem früheren Verteidigungs- und
Außenminister Celso Amorim, stehen für sie Termine mit Vizepräsident
und Industrieminister Geraldo Alckmin, der Vize-Außenministerin Maria
Laura da Roche sowie Umweltministerin Marina Silva auf dem Programm.
Außenminister Mauro Vieira ist aktuell nicht im Land.
Baerbock setzt trotz unterschiedlicher Akzente gegenüber Moskau auf
brasilianische Unterstützung bei den Bemühungen um ein Ende des
russischen Angriffs auf die Ukraine. Die Regierung unter Lula wolle
«Brasiliens starke Stimme bei der Lösung der drängendsten globalen
Herausforderungen einbringen», sagte sie. «Dabei verbindet uns der
feste Glaube, dass es Wohlstand nur geben kann, wenn Freiheit und
Frieden herrschen - auch wenn wir, wie zuletzt beim russischen
Angriffskrieg gegen die Ukraine, unterschiedliche Blickwinkel haben.»
Lula hat sich angesichts der russischen Aggression bisher nicht klar
an die Seite der Ukraine gestellt. Er macht sich für eine
internationale Vermittlung durch einen «Friedensclub» stark, zu dem
neben Brasilien auch Indien, Indonesien und China gehören sollen. Bei
einem China-Besuch im April hatte Lula mit Kritik an der Militärhilfe
der Nato und anderer Länder für die Ukraine für erhebliche
Irritationen in den USA und Europa gesorgt.
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