Bundestag soll umstrittene Pflegereform beschließen

Die Pflege wird seit Jahren teurer und teurer, was auch Millionen
Familien zu schaffen macht. Die Regierung will jetzt mit einem Gesetz
an mehreren Stellen gegensteuern - allerdings gibt es weiter Kritik.

Berlin (dpa) - Der Bundestag soll am Freitag die umstrittene
Pflegereform der Ampel-Koalition beschließen. Die Gesetzespläne von
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sehen angesichts stark
steigender Kosten Entlastungen für Pflegebedürftige von 2024 an vor.
Zur Stabilisierung der Pflegeversicherung sollen bereits zum 1. Juli
höhere Beiträge kommen - außer für Familien mit mehreren jüngeren

Kindern. Die Regierungsfraktionen hatten zuletzt noch Nachbesserungen
vereinbart, die pflegenden Angehörigen zu Hause zugutekommen sollen.
Sozialverbänden, Pflegekassen und Opposition reichen die Pläne nicht.

Die Reform soll die Pflege vorerst bis 2025 finanziell absichern und
dafür jährlich 6,6 Milliarden Euro mehr mobilisieren, wie Lauterbach
deutlich machte. Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sprach am
Freitag im Deutschlandfunk von einem «großen Beitrag» für eine
verbesserte Pflege. Dem müssten aber noch weitere folgen. Die
Wunschliste sei «unendlich groß», die finanziellen Mittel aber
begrenzt, gab Ullmann zu bedenken.

Ein Überblick über Kernpunkte:

Pflege zu Hause: Das zuletzt 2017 erhöhte Pflegegeld soll zum 1.
Januar 2024 um fünf Prozent steigen, genauso wie die Beträge für
Sachleistungen. Pflegegeld soll Pflegebedürftige unterstützen, die
nicht in Einrichtungen leben. Sie können es frei nutzen, etwa für
Betreuung. Je nach Pflegegrad sind es zwischen 316 und 901 Euro im
Monat. Zu Hause gepflegt werden rund vier Millionen Menschen.

Pflege im Heim: Anfang 2022 eingeführte Entlastungszuschläge für
Bewohnerinnen und Bewohner sollen zum 1. Januar 2024 erhöht werden.
Den Eigenanteil für die reine Pflege soll das im ersten Jahr im Heim
um 15 statt bisher 5 Prozent drücken, im zweiten Jahr um 30 statt 25
Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um
75 statt 70 Prozent. Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung -
anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten für
die reine Pflege trägt. Im Heim kommen dann auch noch Zahlungen für
Unterkunft, Verpflegung und Investitionen in den Einrichtungen dazu.

Beiträge I: Der Pflegebeitrag liegt aktuell bei 3,05 Prozent des
Bruttolohns, für Menschen ohne Kinder bei 3,4 Prozent. Zum 1. Juli
soll er erhöht werden, und zwar in Kombination mit Änderungen wegen
eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Demnach muss mehr danach
unterschieden werden, ob man Kinder hat oder nicht. Alles in allem
soll der Beitrag für Kinderlose damit auf 4 Prozent steigen und für
Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4 Prozent. Der darin enthaltene
Arbeitgeberanteil soll von nun 1,525 Prozent auf 1,7 Prozent herauf.

Beiträge II: Konkret soll der Pflegebeitrag für größere Familien f
ür
die Dauer der Erziehungsphase bis zum 25. Geburtstag des jeweiligen
Kindes deutlicher gesenkt werden - und zwar schrittweise je Kind. Ab
zwei Kindern müsste damit - bezogen auf den Arbeitnehmeranteil von
derzeit 1,525 Prozent - weniger gezahlt werden als heute. Bei zwei
Kindern soll der Arbeitnehmeranteil künftig 1,45 Prozent betragen,
bei drei Kindern 1,2 Prozent, bei vier Kindern 0,95 Prozent und bei
fünf und mehr Kindern 0,7 Prozent. Ist ein Kind älter als 25 Jahre,
entfällt «sein» Abschlag. Sind alle Kinder aus der Erziehungszeit,
gilt dauerhaft der Ein-Kind-Beitrag, auch wenn man in Rente ist.

Jahresbudget: Kommen soll nun doch auch ein flexibel nutzbares Budget
mit Entlastungen für pflegende Angehörige. Darin sollen Leistungen
der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege gebündelt werden - also, dass
die Pflege gesichert ist, wenn Angehörige es nicht machen können. Ab
1. Juli 2025 sollen so jährlich 3539 Euro nutzbar sein. Für Eltern
pflegebedürftiger Kinder mit Pflegegrad 4 oder 5 soll das Budget
schon ab 1. Januar 2024 mit 3386 Euro zur Verfügung stehen und bis
Juli 2025 dann ebenfalls auf 3539 Euro anwachsen.

Dynamisierung: Vorgesehen sind auch zwei Stufen, um alle Geld- und
Sachleistungen weiter zu erhöhen. Zum 1. Januar 2025 soll nun ein
Plus von 4,5 Prozent statt zunächst gedachter 5 Prozent kommen - im
Gegenzug zum noch aufgenommenen Budget. Zum 1. Januar 2028 sollen die
Leistungen angelehnt an die Inflationsrate der drei Vorjahre steigen.