Low Carb für Zootiere: Wie Futterpläne umgekrempelt werden Von Anja Sokolow, dpa

Berlins wohl berühmtester Eisbär Knut war bekannt für seine Vorliebe

für Croissants. Gorilla-Dame Fatou verspeiste auch schon mal eine
Quarkcreme-Torte zum Geburtstag. Solche Kalorienbomben sind heute
tabu. Im Berliner und anderen Zoos wird zunehmend auf gesunde
Ernährung geachtet.

Berlin/Frankfurt am Main (dpa) - Flusspferd Kathi ist schüchtern und
schaut lieber aus sicherer Entfernung zu, wie sich Ede, Nicole und
Nala ihr Geburtstagsbuffet einverleiben. Zu Kathis 48. haben die
Tierpfleger Möhren, Äpfel und Salat als Leckerbissen neben dem Heu
drapiert. «Früher gab es vielleicht auch einmal eine Melone, aber das

ist vorbei. Zu viel Zucker», sagt Tierpfleger Clemens Reckmann.
Selbst die Äpfel und Möhren seien eine Ausnahme. Denn normalerweise

ernährten sich die Dickhäuter - wie in freier Wildbahn -
ausschließlich von Gras.

In Zoo und Tierpark wird zunehmend auf gesunde Ernährung geachtet.
Buttrige Croissants, wie sie einst Eisbär Knut ab und zu bekam, sind
passé. Oder auch die Reistorte mit Quarkcreme, wie sie Gorilla-Dame
Fatou zum 58. Geburtstag verspeiste - inzwischen unvorstellbar. «Low

Carb und High Fibre», wenig Kohlenhydrate und viele Pflanzenfasern,
so laute das Ernährungsprinzip heute, erklärte Andreas Pauly, Leiter
der Abteilung Tiergesundheit, Tierschutz und Forschung.

Seit einigen Jahren würden die Futterpläne nach und nach umgestellt.

Ziel sei es, die Ernährung der Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum
zu kopieren. «Es ist eine Frage der artgerechten Haltung und des
Tierschutzes», so der Arzt. Im Laufe der Jahre sei deutlich geworden,
dass es sich lohne, genauer auf die Ernährung zu schauen. «Die
Fütterung ist in der Tiermedizin in Zoo und Tierpark ein zentraler
Faktor geworden, sie gehört zur Prophylaxe. Wir wollen ja, dass die
Tiere gar nicht erst krank werden», erklärt Pauly. 

Deutschlandweit gehe der Trend in diese Richtung, bestätigt auch der
Verband der Zoologischen Gärten, der 71 Einrichtungen vertritt. «Au
ch
wenn es klingt wie der neueste Trend in einer Publikumszeitschrift,
so spielt gesunde Ernährung bei unseren Zootieren tatsächlich eine
wichtige Rolle, schließlich steht das Tierwohl an erster Stelle»,
sagt Geschäftsführer Volker Homes.

Eine falsche Ernährung könne jede Menge Krankheiten verursachen,
erklärt Tierarzt Pauly. Bei den Primaten zum Beispiel führe eine
zuckerreiche Ernährung zu typischen Zivilisationskrankheiten: «Wir
bekommen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle, die Zähne werden
schlecht. Auch Diabetes Mellitus ist ein großes Problem. Und es kann
auch zu Durchfall und eher zu Parasitenbefall kommen.»

Statt Obst bekommen die Affen nun Salat und Gemüse. «Es gibt
natürlich Primaten, die ernähren sich in freier Wildbahn von
Früchten. Aber diese Früchte haben normalerweise einen viel
geringeren Kohlenhydratanteil als unser Zuchtobst», so Pauly. 

Die zuckerarme Kost zahle sich aus. «Bei Mantelpavianen hatten wir
zum Beispiel einen starken Befall von Peitschenwürmern, durch die
Umstellung des Futterplans konnten wir ihn auf ein erträgliches Maß
reduzieren», erläutert der Arzt. «Und ich hatte noch nie einen
Primaten mit Diabetes Mellitus», so Pauly. In anderen Zoos gebe es
durchaus Tiere, die mit Insulin behandelt werden müssten. 

Wie bei vielen Menschen auch sei eine radikale Umstellung der
Ernährung aber nicht möglich. Auch bei den Tierpflegern müsse
mitunter Überzeugungsarbeit geleistet werden, denn die wollten ihre
Schützlinge auch gern mal verwöhnen. Ungesundes werde nach und nach
reduziert und ersetzt. 

«In der Wiederkäuerfütterung haben wir noch Futterrüben. Wenn die

verfüttert sind, ist damit auch Schluss, denn die enthalten ebenfalls
zu viel Zucker», sagt Pauly. Der hohe Zuckeranteil könne bei
Wiederkäuern zur Pansenazidose, einer Stoffwechselkrankheit
führen. Stattdessen seien energiereiche Pellets mit wenigen
Kohlenhydraten, aber vielen Vitaminen, Mineralstoffen, Rohfasern eine
bessere Alternative.

Bei der Frage, welche Tiere wie am besten ernährt werden sollten,
helfen laut Pauly Experten des Europäischen Zooverbands mit
Beispielen aus der Praxis. Auch aus den USA käme viel Wissen. Dort
sei man in Sachen gesunde Ernährung bei Zootieren weiter als
hierzulande. 

Ganz auf Überraschungen verzichten müssen die Tiere aber trotz der
Ernährungsumstellung nicht. Zum 65. Tierparkgeburtstag hätten die
Azubis den Kamelen beispielsweise einen Heuballen mit Äpfeln, Paprika
und Möhren verziert, erklärt Sprecherin Philine Hachmeister. Auch
Eistorten seien nach wie vor möglich. «Man kann das Wasser ja mit
Spinat-, Rote Bete- oder Möhrensaft färben», so Pauly.

Paul Dierkes, Leiter der Abteilung Didaktik der Biowissenschaften
und Zootierbiologie der Universität Frankfurt, sieht in
Zootier-Geburtstagen und Überraschungstorten auch einen Sinn: «Dabei

kann man sicher nicht pauschalisieren: Bei Reptilien ist es wohl
relativ egal, ob man ihnen eine Torte hinstellt. Aber wenn es um
Arten wie Gorillas geht, hat das eine Bedeutung.» 

Wenn sich Tierpfleger intensiv mit Fragen des Fütterns und der
Beschäftigung auseinandersetzen, profitieren nach den Worten des
Fachmanns auch die Tiere. Das sei gut in Studien belegt. Dies könne
die emotionale Bindung und das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch
und Tier fördern - und es herrsche Freude im Umgang vor. 

Für Fatou, den laut Zoo ältesten Gorilla der Welt, gab es in diesem

Jahr zum 66. Geburtstag übrigens einen Geschenkkorb mit
Paprika, Löwenzahn und - als große Ausnahme - Wassermelone.
Zusätzlich reichten die Tierpfleger einen Blumenstrauß aus Salat,
Kräutern und Zweigen, verziert mit essbaren Blüten und Beeren.

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