«Geständnis, das schaudern lässt» - Pfleger wegen Mordes verurteilt Von Sabina Crisan und Britta Schultejans, dpa

Ein Krankenpfleger wollte auf seinem Handy spielen und seinen Kater
auskurieren. Dafür mussten seine Patienten sterben. Das Landgericht
München I hat nun das Urteil in dem Fall gesprochen, der den Richter
schaudern lässt.

München (dpa) - «Man denkt in keiner Sekunde sicherlich dran, dass
ein Pfleger, der dafür zuständig ist, für die Heilung zu sorgen, dass

der einen angreift», sagt der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann.
«Es war sein Job, bei der Heilung zu helfen und er macht genau das
Gegenteil und das auch noch im Krankenhaus.»

Das Landgericht München I hat einen Krankenpfleger wegen zweifachen
Mordes und sechsfachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt.
Das Gericht stellt am Montag auch die besondere Schwere der Schuld
fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut
wie ausgeschlossen.

Der inzwischen 27 Jahre alte Deutsche habe «seine Ruhe, seine
Bequemlichkeit über das Lebensrecht der Patienten gestellt», heißt es

in der Urteilsbegründung.

Der gelernte Altenpfleger, der als Krankenpfleger auf der Wachstation
des Münchner Klinikums rechts der Isar gearbeitet hatte, hatte zu
Prozessbeginn unumwunden eingeräumt, zwei 80 und 89 Jahre alte
Patienten getötet und es bei drei weiteren versucht zu haben - bei
zwei von ihnen mehrmals.

Das Motiv, das er angab, klang erschreckend banal: Er habe einen
Kater gehabt und seine Ruhe gewollt. «Um seine Ruhe zu haben und
nicht arbeiten zu müssen», habe er die Patienten ruhiggestellt, sagt
Riedmann. Um «Zeit zu haben fürs Schlafen oder fürs Handyspielen».
Er
spricht von einem «Geständnis, das allerdings schon fast ein bisschen
schaudern lässt».

Und schaudern musste er auch an anderer Stelle, wie er sagt, und gibt
ein Zitat des Angeklagten wieder: Denn auf die Frage, wie es
weitergegangen wäre, wären seine Taten nicht aufgeflogen, sagte der:
«Ich hätte weitergemacht.»

Eine an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung, die die
Staatsanwaltschaft gefordert hatte, verhängte das Gericht allerdings
dennoch nicht. Riedmann begründet das unter anderem damit, dass der
Angeklagte noch sehr jung sei, seine Taten bereue, keine Vorstrafen
und eine lange Zeit im Gefängnis vor sich habe.

Das Gericht schließe sich dem angehörten Sachverständigen an, der
«zwar eine große Gefahr, aber keine sehr große Gefahr gesehen hat»,

die künftig vom Angeklagten ausgehen könne.

Die Kammer beschränkt sich somit auf ein lebenslanges Berufsverbot
für alle Pflegeberufe. Als Alten- und Krankenpfleger wird der Mann,
der im Prozess betonte, das auch gar nicht mehr zu wollen, nie wieder
arbeiten dürfen: «An dem Verbot führt kein Weg vorbei.»

Innerhalb der Kammer sei die Frage der Sicherungsverwahrung ein
«Problem» gewesen, «das zu einigen Diskussionen geführt hat», r
äumt
Riedmann ein.

Der Forderung der Verteidiger nach der Unterbringung ihres Mandanten
in einer Entziehungsanstalt kommt das Gericht nicht nach. Der Mann
habe zwar in der Freizeit viel getrunken, zeige aber in Haft «keine
Entzugssymptomatik».

Außerdem sei der Mann, der im Krankenhaus auffiel, weil er sehr viel
Parfüm benutzte, um seine Alkoholfahne zu überdecken, bei der Arbeit
nicht völlig betrunken, sondern in erster Linie verkatert gewesen.
«Es war möglicherweise häufig so, dass er noch einen Kater hatte»
sagt Riedmann. Aber: «Das Handeln im Katerzustand sehen wir nicht als
Symptomtat an.»

Sein Mandant sei «relativ zufrieden», dass er keine
Sicherungsverwahrung bekommen habe, sagt Verteidiger Benedikt Stehle
nach dem Urteil und kündigt an, «erstmal pro forma» Revision einlegen

zu wollen. Der Angeklagte bereue die Taten, betont der Anwalt. «Es
hat ihn die ganze Zeit schon sehr belastet, was er da getan hat.»

Tötungsdelikte in der Pflege machen deutschlandweit immer wieder
Schlagzeilen: Dieser Münchner Fall erinnert an den als «Todespfleger»

bekannt gewordenen Patientenmörder Niels Högel, den das Landgericht
Oldenburg 2019 wegen Mordes in 85 Fällen zu lebenslanger Haft
verurteilt hatte.

Anfang Oktober 2020 verurteilte das Landgericht München I einen
Hilfspfleger wegen Mordes an drei Patienten zu lebenslanger Haft mit
anschließender Sicherungsverwahrung. Der Mann aus Polen hatte alten
Menschen, die er pflegen sollte, Insulin gespritzt, das als Überdosis
tödlich sein kann.

2016 verurteilte das Landgericht München I eine Hebamme des Klinikums
Großhadern wegen siebenfachen Mordversuches im Kreißsaal zu 15 Jahren
Haft. Nach Überzeugung des Gerichts hatte die Frau Patientinnen bei
Kaiserschnitt-Geburten heimlich Blutverdünner gegeben. Ohne
Notoperationen wären sie gestorben.

«Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung eine andere ist, sind
Serientäter in der Medizin und Pflege absolute Einzelfälle», betont
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.
«Dennoch müssen Krankenhäuser und Pflegedienste für dieses seltene

Phänomen die Sinne schärfen» an einem Ort, an dem das Sterben
«allgegenwertig» sei. Fast immer fielen Täter in ihrem Teams auf,
sagt er. «Es muss die Wachsamkeit des Kollegiums gestärkt und das
Wegsehen verhindert werden.»

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