Neue Stiko-Einschätzung: Wer die Corona-Impfung noch braucht Von Gisela Gross, dpa

Corona ist im Alltag zwar kaum mehr ein Thema. Verschwunden ist das
Virus aber nicht - und für manche bleibt es ein Risiko. Die Ständige
Impfkommission reagiert mit neuen, aber noch nicht offiziellen
Empfehlungen auf die Lage.

Berlin (dpa) - Mehr als drei Jahre nach dem Corona-Ausbruch sind
weitere Sars-CoV-2-Impfungen aus Sicht der Ständigen Impfkommission
(Stiko) in erster Linie noch für Risikogruppen wichtig. «Gesunden
Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird aufgrund der Seltenheit
schwerer Verläufe jetzt keine Covid-19-Impfung mehr empfohlen»,
teilte die Ständige Impfkommission zu einem Beschlussentwurf mit, der
am Dienstag in das sogenannte Stellungnahmeverfahren gehen sollte.
Dazu Fragen und Antworten:

Wer zählt zu den Risikogruppen und was gilt für sie?

Für Menschen ab 60, Bewohner von Pflegeeinrichtungen und Menschen mit
bestimmten Vorerkrankungen ab einem Alter von sechs Monaten sieht die
Stiko in der geplanten Empfehlung jährliche Auffrischimpfungen vor,
bevorzugt vor möglichen Wellen im Herbst und Winter. Genutzt werden
soll ein an Varianten angepasster Impfstoff. Mindestens 12 Monate
sollen in der Regel seit der letzten Impfung oder Infektion vergangen
sein. Ziel ist es, schweren Krankheitsverläufen vorbeugen. Geboostert
werden sollten laut Stiko zudem Menschen, die in Medizin und Pflege
arbeiten. In Zukunft könnte sich auch noch eine längere Schutzdauer
herausstellen, so dass es nicht zwangsläufig beim jährlichen Booster
bleiben müsse, erläuterte Stiko-Mitglied Christian Bogdan.

Was ist mit gesunden Kindern und Jugendlichen?

Für Minderjährige spricht sich die Stiko angesichts «in aller Regel
»
problemloser Verläufe nicht mehr für routinemäßige Corona-Impfungen

aus. Die bisherige Empfehlung riet für gesunde Fünf- bis Elfjährige
zu einer Corona-Impfstoffdosis, für Zwölf- bis 17-Jährige zu einer
Grundimmunisierung plus Auffrischimpfung. Auch potenzielle
Langzeitfolgen der Infektion (Long Covid) sind für die Fachleute kein
Argument, da das Risiko mittlerweile noch weiter gesunken sei und
auch durch die Impfung nicht komplett verschwinde. «Es bestehen
jedoch keine Sicherheitsbedenken bei der Impfung von gesunden Kindern
und Jugendlichen», betont die Stiko. Dieser Zusatz sei wichtig, sagte
der Immunologe Carsten Watzl: Manche Ärzte legten fehlende
Impfempfehlungen fälschlicherweise so aus, dass nicht geimpft werden
dürfe.

Was gilt für gesunde Erwachsene unter 60?

Wer in dieser Gruppe entweder zweimal gegen Sars-CoV-2 geimpft sowie
geboostert oder infiziert wurde, hat aus Stiko-Sicht eine
Basisimmunität aufgebaut und muss erst einmal keinen weiteren Booster
einplanen. Harmlose Atemwegsinfektionen - wie sie in der Gruppe in
der Regel auftreten - seien durch die Impfung nicht zu verhindern,
machte Stiko-Mitglied Christian Bogdan deutlich.

Wie bewerten andere Fachleute die Stiko-Pläne?

Die Übersichtlichkeit helfe sicherlich den Ärzten, sagte Watzl,
Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, der nicht
Mitglied der Stiko ist. Auch Planungen zu Auffrischimpfungen für den
Herbst seien nun möglich - unter der Prämisse, dass dann noch Omikron
oder eine ähnliche Virusvariante vorherrsche. «Es ist auch einfach,
den Leuten zu vermitteln: Wir sind jetzt bei Empfehlungen, die ganz
ähnlich sind wie die der Grippeschutzimpfung», sagte Watzl.

Kann man sich auch ohne Stiko-Empfehlung impfen lassen?

Ja, grundsätzlich ist das möglich. Nach dem Ende der lange geltenden
Krisenregeln sind Corona-Impfungen aber noch nicht in allen
Bundesländern direkt auf Kassenkosten zu bekommen. In Ländern, in
denen die Vergütung noch nicht geregelt ist, bekommen Patienten laut
Kassenärztlicher Bundesvereinigung vorerst eine Privatrechnung und
können sie dann zur Erstattung bei der gesetzlichen Kasse einreichen.

Rahmen für den Anspruch auf kostenlose Impfungen ist nun eine
Richtlinie, die sich an den Stiko-Empfehlungen orientiert. Laut einer
Bundesverordnung sind Impfungen auf Kassenkosten aber weiterhin auch
darüber hinaus möglich, wenn eine Ärztin oder ein Arzt es für
medizinisch erforderlich hält.

Was ist der Anlass für die neue Stiko-Empfehlung?

Mit den geplanten Neuerungen nimmt die Stiko die Covid-19-Impfung in
ihre allgemeinen Impfempfehlungen 2023 auf. Bisher hatte das Gremium
Covid-19 gesondert behandelt und mehr als 20 Aktualisierungen
vorgenommen, etwa wenn neue Vakzine oder Erkenntnisse hinzukamen. Der
jetzige Schritt ist quasi als Übergang vom Pandemie- in den
Normalmodus zu werten. Das fertige Papier wird in etwa zwei Wochen
erwartet. Erst einmal sollen Bundesländer und Fachkreise noch
Rückmeldung geben können.

Welche Rolle spielt die Diskussion um Impfschäden bei der Empfehlung?

Keine entscheidende Rolle. Die Stiko verweist vor allem auf die
günstige Entwicklung der Basisimmunität in der Bevölkerung und der
Virusvarianten. Die Corona-Impfstoffe seien als sehr sicher zu
bezeichnen, sagte Stiko-Mitglied Bogdan. Fehlgeleitete oder
unerwünschte Immunreaktionen seien in der großen Minderheit und
müssten in Relation zur Zahl der Menschen gesetzt werden, die von der
Impfung profitierten. Die Stiko sei nicht «nebenwirkungsgesteuert»
herangegangen.