Mehr als 20 Klagen gegen Impfstoffhersteller auf Schadenersatz Von Angelika Resenhoeft, dpa
In sehr selten Fällen erkranken Menschen nach einer Impfung gegen das
Coronavirus schwer und dauerhaft. Manche verklagen die
Impfstoffhersteller nun vor Zivilgerichten auf Schadenersatz und
Schmerzensgeld. Die Beweisführung dürfte nicht einfach sein.
Würzburg/Hof (dpa/lby) - An bayerischen Gerichten sind mehr als 20
Klagen auf Schadenersatz und/oder Schmerzensgeld gegen Hersteller von
Corona-Impfstoffen wegen möglicher Impfschäden anhängig. Das ergab
eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Landgerichten.
In einem der ersten Zivilprozesse dieser Art bundesweit hat das
Landgericht Hof eine Klage gegen den Impfstoffhersteller Astrazeneca
abgewiesen. Das sagte eine Gerichtssprecherin am Dienstag der dpa.
Die Entscheidung sei bereits am 3. Januar verkündet worden, die
Klägerin habe danach Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Bamberg
eingelegt. Der dortige Senat entscheidet nun das weitere Vorgehen,
wie ein Sprecher sagte.
Auch bei den Sozialgerichten in Bayern sind Klagen anhängig - 51 an
der Zahl (Stand: 24. April 2023). In diesen geht es allerdings nicht
um Schadenersatz, sondern um die Anerkennung eines möglichen
Impfschadens durch das Land und damit verbundene
Versorgungsleistungen. Nach Angaben des für die Bescheide zuständigen
Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in Bayreuth gibt es in
diesen Klagefällen aber noch keine rechtskräftigen Entscheidungen.
Anträge auf Versorgungsleistungen wie Grundrente werden einem
ZBFS-Sprecher zufolge unter anderem abgelehnt, wenn die
gesundheitliche Störung nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit
kausal auf die Impfung zurückgeführt werden kann. Nicht selten gebe
es einen zufälligen zeitlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung
und dem Auftreten einer gesundheitlichen Störung, ohne dass eine
echte Beziehung zwischen Ursache und Wirkung vorliege.
Für die Sicherheit von Impfstoffen ist in Deutschland das
Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zuständig. Laut diesem sind in der EU
mehrere Impfstoffe gegen das Coronavirus zugelassen. Die Wirksamkeit
dieser ist wissenschaftlich erwiesen. Ebenso ist bekannt: Häufig gibt
es vorübergehende Reaktionen wie den «Impfarm» oder Kopfschmerzen,
äußerst selten hingegen schwerer wiegende Nebenwirkungen.
Als «Impfkomplikation» sieht das PEI eine nach der Impfung
auftretende unerwünschte Reaktion, die erstens in einem ursächlichen
Zusammenhang mit der Impfung stehen könnte und zweitens über eine
Impfreaktion hinausgeht. «Impfschaden» meint im engeren Sinne «die
gesundheitliche und wirtschaftliche Folge» dieser Komplikation.
Laut PEI sind folgende schwere Impfkomplikationen bekannt: die
Herzkrankheit Myo-/Perikarditis, die im Gehirn auftretende
Sinusvenenthrombose und weitere Blutgerinnsel, eine Gesichtslähmung,
eine Muskelschwäche namens Guillain-Barré-Syndrom und der Hörschaden
Tinnitus. Sie alle sind den PEI-Daten zufolge «selten» (ein Fall pro
10 000 bis 1000 Impfungen) oder «sehr selten» (weniger als ein Fall
pro 10 000 Impfungen).
An den Landgerichten zwischen Aschaffenburg und Kempten sind derzeit
mehr als 20 Zivilklagen gegen Impfstoffhersteller anhängig. In
Würzburg etwa verlangen zwei Frauen jeweils 150 000 Euro
Schmerzensgeld vom Hersteller Moderna. Die Klägerinnen machen einem
Gerichtssprecher zufolge angebliche Impfschäden wie Embolie, eine
Gefäßkrankheit, Thrombose und Migräne geltend.
Am Landgericht Nürnberg-Fürth gibt es derzeit vier Klagen gegen den
Hersteller Biontech. In zwei davon werden je 150 000 Euro verlangt,
etwa wegen einer mutmaßlich durch die Corona-Impfung ausgelösten
Autoimmunerkrankung und Herzrhythmusstörungen.
Bundesweit sind zahlreiche Zivilklagen eingereicht worden, in Bayern
etwa an den Landgerichten Memmingen und Landshut (je drei Verfahren),
Augsburg und Regensburg (je zwei Verfahren), Kempten, Ingolstadt,
Passau und Coburg (je eins). Beklagt werden Hersteller verschiedener
in Deutschland eingesetzter Impfstoffe.
Mit Schadenersatz wird ein materieller Schaden ausgeglichen. Dies
gilt für alle Kosten, die durch die Schuld eines anderen entstanden
sind. Wirken sich psychische Schäden finanziell aus, zum Beispiel
durch einen Verdienstausfall, so muss auch dieser materielle Schaden
ersetzt werden. Schmerzensgeld erhält man als Ausgleich für
immaterielle Schäden.
Seit dem Start der Impfkampagne sind in Bayern nach Angaben des
Robert Koch-Instituts (RKI) mehr als 29 Millionen Impfdosen gegen
Covid-19 verabreicht worden.
Bei dem Fall am Landgericht Hof führte die Klägerin ihre starken
gesundheitlichen Beschwerden auf eine Impfung mit dem
Covid-19-Impfstoff Vaxzevria des britisch-schwedischen Herstellers
Astrazeneca zurück. Details waren zunächst nicht bekannt.
Im Frühjahr 2021 waren Astrazeneca-Impfungen vorübergehend ausgesetzt
worden. Grund waren seltene Fälle von Hirnvenenthrombosen
(Blutgerinnsel) in Kombination mit einer reduzierten Zahl von
Blutplättchen. Unter anderem die europäische Arzneimittelbehörde EMA
nahm die Fälle unter die Lupe. Ergebnis: Der Nutzen der Impfung
überwiege eindeutig das Risiko.
Für Covid-19-Impfstoffe gelten im Prinzip dieselben Haftungsregeln
wie für andere Arzneimittel, etwa nach dem Arzneimittelrecht oder dem
Produkthaftungsgesetz. Der Hersteller kann zur Verantwortung gezogen
werden, wenn ein Produktionsfehler vorliegt. Wird das Arzneimittel
fehlerhaft verabreicht, haftet die impfende Person, zum Beispiel der
Arzt. Knackpunkt ist die Kausalität: Ist der Schaden ursächlich auf
die Impfung zurückzuführen?
Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech betonte mit Blick auf
anstehende Prozesse gegen ihn, «dass bisher in keinem der von
Biontech geprüften Fälle ein kausaler Zusammenhang zwischen den
dargestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Impfung mit
Comirnaty (der Name des Impfstoffs) nachgewiesen werden konnte».
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