Volle Wartezimmer bei Psychotherapeuten in Sachsen wegen Pandemie

Behandlungstermine bei Psychotherapeuten sind ohnehin nur schwer zu
bekommen. Vor allem infolge der Pandemie ist auch in Sachsen die
Nachfrage gestiegen. Was heißt das für Menschen mit Bedarf?

Dresden (dpa/sn) - Lange Wartezeiten und volle Wartezimmer: Viele
Psychotherapeuten in Sachsen bekommen die Folgen der Corona-Pandemie
derzeit voll zu spüren. Die verstärkte Nachfrage nach
psychotherapeutischer Hilfe seit Corona belaste das
Versorgungssystem, sagte die Sprecherin der Ostdeutschen
Psychotherapeutenkammer (OPK), Antje Orgass, der Deutschen
Presse-Agentur. Laut OPK gibt es in Sachsen aktuell 1771 Erwachsenen-
und 383 Kinder- und Jugendpsychotherapeuten sowie 68 doppelt
approbierte Therapeuten, die sowohl Erwachsene als auch Kinder
behandeln dürfen.

«Die Pandemie traf auf ein Versorgungssystem, das bereits völlig
ausgelastet war», sagte Orgass. Eine Befragung bei Kinder- und
Jugendpsychotherapeuten habe ergeben, dass schon fast gesund
entlassene Patienten mit Symptomen wieder in die Praxen zurückgekehrt
seien. Neue Patienten hätten es deswegen schwer. Orgass zufolge
leiden die meisten Kinder und Jugendlichen, die seit der Pandemie
behandelt werden, an Angst- und Zwangsstörungen, Depressionen oder
Manien, Essstörungen, Schul- und Leistungsängsten sowie
Computerspielstörungen bis hin zu Suchtverhalten.

Wie lange Patienten auf einen Behandlungstermin beim
Psychotherapeuten mittlerweile warten müssen, konnte Orgass nicht
sagen. Die Anfragen hätten seit Corona aber enorm zugenommen. Auch
dem Gesundheitsministerium in Dresden ist die durchschnittliche
Wartezeit für eine ambulante psychotherapeutische Behandlung nicht
bekannt. Jedoch seien einer Studie zur psychischen Gesundheit von
Schülern zufolge zwischen 2018 und Ende 2021 die Behandlungsanfragen
von Jungen und Mädchen im Alter von 10 bis 16 Jahren im Zusammenhang
mit der Corona-Pandemie gestiegen. Dem sei mit mehr
Sprechstundenterminen und teilweise höheren Behandlungsfrequenzen
begegnet worden, hieß es. Es sei auch von längere Wartezeiten
berichtet worden.

Bei akutem Bedarf oder für ein Erstgespräch können Patienten über d
ie
Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung (KVS) einen
Termin innerhalb von zwei Wochen vereinbaren. 2022 sind dort demnach
10 710 und im Jahr zuvor 12 511 Vermittlungsgesuche eingegangen.
Auffällig dabei: Besonders viele Anfragen kamen aus der Leipziger
Region. Im vergangenen Jahr waren es dort allein fast 9900
Termingesuche. In Chemnitz und Dresden waren es 162 und 651. Die
psychotherapeutische Versorgung unterscheidet sich zwischen Stadt und
Land sehr deutlich. Die Dichte an Psychotherapeuten sei in den
Großstädten erheblich höher als auf dem Lande. Dort müssten Patient
en
zum Therapeuten zum Teil große Strecken fahren.

Auch die AOK Plus in Dresden kann keine endgültigen Angaben zu
Wartezeiten machen. «Aus zahlreichen Gesprächen mit unseren
Versicherten wissen wir jedoch, dass regional unterschiedliche,
teilweise lange Wartezeiten für eine Regelbehandlung bestehen», sagte
eine AOK-Sprecherin. «Wenden sich Versicherte mit der Bitte um
Unterstützung an uns, sind auch wir mittlerweile an unsere Grenzen
gestoßen und verweisen an die Terminservicestellen bei den
Kassenärztlichen Vereinigungen.» 

«Mit der KVS sind wir im regelmäßigen Austausch mit dem Ziel, die
Versorgungssituation zu verbessern», sagte die Sprecherin. Die Anzahl
der in Sachsen ambulant tätigen Psychotherapeuten habe sich in den
vergangenen Jahren stets erhöht. Statistisch sei Sachsen optimal
versorgt. Der rechnerische Versorgungsgrad liege bei durchschnittlich
121 Prozent, alle Planungsbereiche hätten mehr als 110 Prozent,
Neuzulassungen seien gesperrt. Es gebe keine Regionen mit drohender
Unterversorgung.

Der Bedarfsplan wird demnach zwischen den Landesverbänden der
Kranken- und Ersatzkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung
ausgehandelt. Die Zahlen seien zuletzt 2019 angepasst worden. Immer
mehr Psychotherapeuten und immer höhere Ausgaben hätten bisher jedoch
nicht dazu geführt, dass die Versicherten zeitnahe Behandlungstermine
erhalten konnten, sagte die AOK-Sprecherin. Die Ursachen reichten von
steigenden Zahlen von Betroffenen - gerade auch infolge der Pandemie
- bis zur Feststellung von durchaus unterschiedlichen
Behandlungszahlen je Therapeut oder zu wenig Professionalität bei der
mitunter doch möglichen Organisation von Gruppentherapien.

An der Technischen Universität Chemnitz will die Psychotherapeutische
Hochschul-Ambulanz jetzt die ambulante Versorgung im Einzugsbereich
Chemnitz/Erzgebirge unterstützen. In das kostenfreie Angebot seien
die Masterstudierenden der Psychologie einbezogen worden. Menschen in
Lebenskrisen und mit akuten Problemen, wie Überlastung und Stress,
werde eine «kleine Psychotherapie» angeboten.