Boehringer Ingelheim steigert Umsatz - Sorge um Europa

Beim Umsatz macht Boehringer Ingelheim einen kräftigen Sprung. Der
Gewinn schrumpft - auch, weil kräftig in Forschung investiert wird.
Höhere Material- und Energiepreise machen sich ebenfalls bemerkbar.

Ingelheim (dpa) - Deutliche Zuwächse bei wichtigen
Humanpharma-Produkten haben Boehringer Ingelheim (BI) insgesamt einen
deutlichen Umsatzanstieg beschert. Mit dem Konzerngewinn ging es
unter anderem wegen gestiegener Ausgaben für Forschung und
Entwicklung sowie höherer Material- und Energiepreise etwas nach
unten, wie Finanzvorstand Michael Schmelmer erklärte. Hinzu seien
Wertberichtigungen und weitere Rückstellungen für Pensionszusagen
gekommen. Beim Blick nach vorne sorgt sich Konzernchef Hubertus von
Baumbach um den Pharmastandort Europa.

BI konnte die Erlöse 2022 um mehr als zehn Prozent auf
währungsbereinigt 24,1 Milliarden Euro (Vorjahr: 20,6 Mrd.) steigern,
wie das Unternehmen am Mittwoch im rheinhessischen Ingelheim
mitteilte. Der Konzerngewinn sank von 3,4 Milliarden Euro im Vorjahr
auf nunmehr 3,2 Milliarden.

Das familiengeführte Unternehmen mit seinen rund 52 400 Mitarbeitern
weltweit - etwa 17 600 davon in Deutschland - schraubte seine
Ausgaben für Forschung und Entwicklung im vergangenen Jahr auf rund 5
Milliarden Euro hoch. Das waren 21 Prozent der Umsätze und 22 Prozent
mehr als im Jahr davor mit etwa 4,1 Milliarden Euro.

Von diesen 5 Milliarden flossen laut BI rund 2,4 Milliarden Euro nach
Deutschland, wo nach Ingelheim das baden-württembergische Biberach
der größte Standort ist. «Wir investieren in Deutschland
überproportional», betonte Deutschlandchefin Sabine Nikolaus.

Während das Geschäft mit Humanpharma BI-weit bei den Erlösen um mehr

als 13 Prozent auf 18,5 Milliarden Euro zulegte, blieben die Umsätze
in der Tiergesundheit mit 4,6 Milliarden in etwa auf dem Niveau des
vorangegangenen Jahres. Bei der Tiergesundheit machte sich den
Angaben zufolge die Abschwächung der Konjunktur in Nordamerika
bemerkbar, außerdem seien die Umsätze bei Impfstoffen für Schweine in

China rückläufig gewesen.

Bei den Pharmaprodukten für Menschen war wieder das Diabetesmittel
Jardiance ein Umsatztreiber mit Erlösen von alleine rund 5,8
Milliarden Euro 2022 - währungsbereinigt waren das rund 39 Prozent
mehr als im Jahr davor. Jardiance kann seit einiger Zeit unter
anderem auch bei der Behandlung von Herzschwäche verwendet werden. In
den kommenden drei Jahren rechne BI weiterhin mit einem zweistelligen
prozentualen Umsatzwachstum bei Jardiance, sagte Konzernchef von
Baumbach.

In den kommenden sieben Jahren erwartet das Unternehmen rund 20
Medikamentenzulassungen in der Humanpharma. Vielversprechende
Zukunftsfelder sind von Baumbach zufolge etwa die Onkologie oder auch
das Feld psychischer Erkrankungen.

Weniger optimistisch zeigte sich der Konzernchef beim Pharmastandort
Europa. «Europa war einmal die Apotheke der Welt», sagte er. Diese
Position habe Europa verloren. Und erste Hinweise, wie die neue
EU-Arzneimittelstrategie der EU aussehen könnte, ließen vermuten,
dass sich dieser Trend nicht umkehren werde.

Auch auf die Bedingungen in Deutschland blickt Boehringer Ingelheim
durchaus skeptisch. Die Rahmenbedingungen verschlechterten sich
hierzulande, sagte der Biberacher Standortleiter Fridtjof Traulsen.
Deutschland-Chefin Nikolaus betonte, das Gesetz zur Stabilisierung
der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gefährde
Investitionen. Das Gesetz stabilisieren nicht, sondern stopfe ein
Haushaltsloch.

Das Gesetz sieht etwa einen erhöhten Herstellerabschlag insbesondere
für patentgeschützte Arzneimittel und eine Verlängerung des
Preismoratoriums für Arzneimittel bis Ende 2026 vor. Nikolaus sagte
zudem, der Patentschutz dürfe nicht aufgeweicht werden, sonst lohne
sich Forschung nicht mehr. Doch genau das werde nun beim
EU-Arzneimittelstrategie diskutiert.