Millionen-Schwindel bei Corona-Tests: Fast neun Jahre Haft

Schnell und unbürokratisch sollte getestet werden. Doch bald zeigte
sich: Das Modell war betrugsanfällig. In Berlin fiel nun in dem für
die Hauptstadt bislang größten Strafverfahren wegen Corona-Betrugs
das Urteil.

Berlin (dpa/bb) - Er rechnete illegal ab und kassierte in der
Pandemie Millionen Euro: Ein ehemaliger Betreiber von
Corona-Testzentren ist zu acht Jahren und neun Monaten Haft
verurteilt worden. Der Mann habe rund 9,7 Millionen Euro zu Unrecht
gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin abgerechnet
und erhalten, stand am Montag für das Landgericht der Hauptstadt
fest. Dem Angeklagten sei es darum gegangen, «so viel Geld wie
möglich zu kassieren», sagte der Vorsitzende Richter Carsten
Schwanitz. Der Mann habe sich «besonders verwerflich» verhalten.

Der damalige Spätkauf-Betreiber wurde des besonders schweren
Betrugs in 67 Fällen schuldig gesprochen. Gegen seine mitangeklagte
Schwester im Alter von 45 Jahren erging wegen Beihilfe in 17 Fällen
eine Strafe von einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung. Das
Gericht ordnete zudem die Einziehung des erlangten Geldes an. In die
gegen den 47-Jährigen verhängten Strafe wurde eine
frühere Verurteilung zu drei Jahren und acht Monaten wegen
Vergewaltigung und Körperverletzung einbezogen.

In dem für die Hauptstadt bisher größten Strafverfahren
wegen Verdachts auf Betrug bei der Abrechnung von Corona-Bürgertests
geht es um Taten zwischen Mai und Oktober 2021. Der Schwindel sei
über 18 Testzentren gelaufen, so Richter Schwanitz nach
siebenmonatigem Prozess. Der 47-Jährige habe Tests abgerechnet, die
gar nicht oder nicht in dem Umfang durchgeführt worden seien. Mehr
als sechs Millionen Euro habe der Mann in die Türkei weitergeleitet -

auf Konten seines Vaters, so der Richter. 

Wegen der pandemischen Notlage habe der Staat schnell und
unbürokratisch handeln wollen, sagte der Vorsitzende weiter. Der
Spätkauf-Betreiber habe wohl mitbekommen, dass es damals «faktisch
keine Kontrollen gab». Das habe er ausgenutzt und in die eigene
Tasche gewirtschaftet. Der Angeklagte habe fiktive Personalien und
Strohleute eingesetzt sowie Geldflüsse verschleiert. Das Gericht ging
von einer «hohen Sozialschädlichkeit» aus. 

In 11 der 18 Testzentren, die der Angeklagte in verschiedenen
Stadtteilen angemeldet habe, sei nicht ein einziger Test erfolgt, so
das Gericht. Die Tests, die er abrechnete, hätten «grob über jeder
Realität» gelegen. So habe er einmal für eine Teststelle fast 65 000

Abstriche pro Monat geltend gemacht - «das wären knapp zwei Abstriche
pro Minute gewesen». Insgesamt hätten dem Mann nur knapp 64 000 Euro

zugestanden.

Immer wieder nutzten Kriminelle die Corona-Pandemie und versuchten
mitzuverdienen. In der Hauptstadt sind nach Angaben der Polizei
inzwischen rund 13 500 Betrugsverfahren im Zusammenhang mit
Testzentren oder Corona-Hilfszahlungen eingeleitet worden. Das
Landeskriminalamt (LKA) geht von einem potenziellen Schaden von
mindestens 243 Millionen Euro aus. 

Der Berliner Staatsanwaltschaft sind bislang nach eigenen Angaben
mehr als 880 Verfahren zu Betrügereien mit Hilfszahlungen oder
Testzentren auf den Tisch bekommen. In 649 Fällen sei es bislang zu
Geldstrafen gekommen, in etwa 30 Fällen seien Haftstrafen verhängt

worden, so eine Sprecherin der Behörde. 

Die beiden Geschwister waren Ende März 2022 bei Durchsuchungen
von Wohnungen und Teststationen in Berlin festgenommen worden. Der
Geschäftsmann sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Frau, die
Konten für den Schwindel zur Verfügung gestellt haben soll, befand
sich drei Monate in Haft. 

Der Staatsanwalt hatte eine Gesamtstrafe von zehn Jahren und
drei Monaten gegen den 47-Jährigen beantragt. Der Verteidiger des
Mannes plädierte auf maximal sieben Jahre Haft. Das Urteil ist no
ch
nicht rechtskräftig.