Behutsamer Transport: Erster Baby-Notarztwagen für Thüringen

Erschütterungen und Lärm können für Frühgeborene fatale Auswirkun
gen
haben. In Thüringen nimmt jetzt deshalb ein Baby-Notarztwagen den
Betrieb auf, in dem die Kleinen schonend transportiert werden können.

Jena (dpa) - Sehr kleine Frühgeborene sollten eigentlich gar nicht
transportiert werden. Und dennoch sei genau das manchmal notwenig,
sagte der kommissarische Leiter der Kinderklinik am Jenaer
Uniklinikum, Hans Proquitté, am Donnerstag. Wenn das Baby am Ort der
Geburt nicht optimal versorgt werden könne, müsse es zügig an die
Spezialabteilung einer Kinderklinik verlegt werden - wie zum Beispiel
die am Uniklinikum in Jena.

Thüringens ersten Baby-Notarztwagen bezeichnete der Mediziner als
«neuen Meilenstein» in der Versorgung von Frühgeborenen und schwer
erkrankten Neugeborenen im Freistaat. Das von der Björn Steiger
Stiftung entwickelte und finanzierte Spezialfahrzeug «Felix» wurde am
Donnerstag in Jena offiziell an seine zukünftigen Nutzer überreicht.

«Für alle unbefriedigend» bezeichnete der Ärztliche Leiter des
Rettungsdienstes der Stadt Jena, Sebastian Lang, die bisherige
Situation. Die Arbeitsbedingungen bei den Transporten von Babys in
herkömmlichen Rettungsfahrzeugen seien nicht optimal gewesen. Um dies
zu ändern, hatte er bereits 2017 erste Kontakte zur Björn Steiger
Stiftung geknüpft.

Dank der Zusammenarbeit zahlreicher Akteure biete das neue Fahrzeug
den betroffenen Kindern in Thüringen jetzt «beste
Versorgungsmöglichkeiten für einen guten Start ins Leben», sagte
Lang. Die 1969 gegründete Björn Steiger Stiftung verfolgt das Ziel,
die Notfallhilfe in Deutschland zu verbessern. Der erste von ihr
entwickelte und finanzierte Baby-Notarztwagen wurde 1974 in Stuttgart
in Betrieb genommen.

Der Transport von Frühgeborenen ist aus Medizinersicht besonders
kritisch, weil die beim Anfahren und Abbremsen wirkenden Kräfte im
schlimmsten Fall Hirnblutungen verursachen könnten. Um diese Gefahr
zu verringern, ist der mobile Brutkasten im speziell gefederten
«Felix» quer zur Fahrtrichtung angeordnet. Fahrgeräusche sind dank
schallabsorbierender Elemente im Inneren des Wagens kaum zu hören.
Eine Fahrt mit wenig Lärm und Erschütterung könne «lebensentscheide
nd
für die Zukunft dieser kleinen Kinder» sein, sagte Proquitté.

Weil «Felix» losgelöst von sonstigen Notfalltransporten im Einsatz
ist, fallen Wartezeiten auf ein verfügbares Fahrzeug in Zukunft weg.
Damit der Baby-Notarztwagen rund um die Uhr sofort einsatzbereit sein
kann, hat die Betreibergesellschaft Pro Life Ambulance zwei
zusätzliche Stellen geschaffen. Sobald an ihrem Standort in Jena-Nord
ein Anruf eingeht, holt das Team die Experten vom Uniklinikum für die
notwendigen Fahrten ab. Kleine Patienten werden nicht nur aus Apolda,
Gera oder Saalfeld nach Jena verlegt, sondern von dort aus auch zu
weiteren Spezialkliniken beispielsweise in Leipzig oder Berlin.

Rund 200 dieser Fahrten pro Jahr sind in Thüringen notwendig, schätzt
Rettungsdienstleiter Lang. Angesichts von drohenden Schließungen von
Geburtsstationen rechnet er damit, dass die Zahl der Transporte
weiter zunehmen wird. «Und das, obwohl die Geburtenzahlen
zurückgehen.» Ideal wäre es, so Lang, wenn alle drei auf die
Behandlung von Frühgeborenen spezialisierten Zentren in Thüringen mit
einem Baby-Notarztwagen ausgestattet werden könnten.

Zum 1. Mai soll das neue Fahrzeug in den Regelrettungsdienst des
Freistaats aufgenommen werden, wie ein Vertreter des
Innenministeriums am Donnerstag ankündigte. «Damit ist Thüringen fast

allen Bundesländern weit voraus», betonte Pierre-Enric Steiger,
Präsident der Björn Steiger Stiftung. Lediglich in Hessen sei seinen
Angaben zufolge bisher ein Baby-Rettungswagen in den
Regelrettungsdienst eines Bundeslandes integriert.