Klima-Experten warnen: Wir kommen raus aus der Komfortzone Von Eva Krafczyk, dpa

Sonne satt - das ist für viele Menschen längst keine gute Nachricht
mehr, schon gar nicht bei Hitze. Die Klimabilanz des Deutschen
Wetterdienstes für 2022 sieht eher düster aus. Doch es gibt auch gute
Nachrichten.

Berlin (dpa) - Klima-Experten des Deutschen Wetterdienstes (DWD)
haben bei der klimatologischen Bilanz des Jahres 2022 vor den
zunehmenden Einflüssen der Erderwärmung gewarnt. «Wir kommen raus aus

der Komfortzone», sagte Andreas Becker, Abteilungsleiter der
Klimabeobachtung beim DWD, am Dienstag in Berlin. Mit starken
Hitzewellen, Sonnenscheinrekorden und anhaltender Trockenheit sei das
Jahr nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa unter den
wärmsten seit Messbeginn gewesen. Wenn es um die Risikoabschätzung
etwa von Extremwetter wie Starkregen geht, bietet der DWD mit neuen
Daten Unterstützung für Kommunen und Katastrophenschutz.

Die Folgen der Klimaveränderung würden in Deutschland zunehmend
negativ spürbar, sagte Becker mit Blick auf Waldbrände, Ernteausfälle

und Trinkwasserreglementierungen, die mehrere Kommunen im vergangenen
Sommer angeordnet hätten. Er verwies auf Zahlen des Robert
Koch-Instituts, nach denen die wiederholten Hitzewellen im Sommer
2022 zu einer Übersterblichkeit von 4500 Menschen geführt hätten.

«Es lohnt sich, um jedes Zehntel Grad zu kämpfen», betonte Becker
angesichts der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung..
Deren Erreichen erscheint nach Angaben des DWD-Klima-Vorstands Tobias
Fuchs kaum mehr möglich: «Zwei Grad sind noch irgendwie in
Reichweite, aber 1,5 Grad sind weit weg.»

Während vor allem im Nordosten Deutschlands im vergangenen Jahr Dürre
herrschte und die Bodenfeuchte in den tieferen Bodenschichten noch
nicht ausreichend aufgefüllt ist, ist Stark- und Dauerregen ein
anderes Wetterextrem, das bei steigender Erderwärmung häufiger
auftreten kann. Wie dramatisch die Folgen sein können, erleben
derzeit unter anderem die Menschen im Südosten Afrikas. Die
Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 hatte auch in Deutschland
viele Menschen aufgerüttelt. Stark- und Dauerregen gehörten zu den
schadensreichsten Extremwetterlagen, sagte Fuchs.

Die Niederschlagsprognosen des DWD hatten seinerzeit die gewaltige
Niederschlagsfront ausgemacht und die Meteorologen hatten
Unwetterwarnungen herausgegeben. Sie wurden aber nicht optimal
genutzt. «Es reicht nicht aus, sich auf Warnungen zu verlassen»,
sagte Fuchs. Auch Prävention sei notwendig beim Katastrophenschutz.

Fuchs betonte, es sei eine Kernaufgabe des Deutschen Wetterdienstes,
zu analysieren, welche Risiken durch extreme Niederschläge für jede
Region, jeden Ort in Deutschland aktuell und künftig bestehen. «Dank
neuer Beobachtungsdaten und der Verknüpfung der Informationen von
Bodenstationen und Wetterradar kann der DWD jetzt für jeden Ort in
Deutschland die Starkregengefahr berechnen», sagte er.

Damit sind Risikokarten zum Auftreten von Starkregen und Dauerregen
möglich, etwa für den vorbeugenden Katastrophenschutz als
Planungsgrundlage. Aber auch die Wasserwirtschaft sowie Bauingenieure
und Städteplaner profitierten bei der angemessenen Dimensionierung
von Kanalnetzen, Kläranlagen, Pumpwerken oder Rückhaltebecken davon,
betonte Fuchs.

So habe der DWD seine Daten mit der Bevölkerungsstatistik verbunden
und könne so für die 15 bevölkerungsreichsten Städte zeigen, wie
stark die Einwohnerinnen und Einwohner von extremen Niederschlägen
bisher betroffen waren. «Wir benötigen solche Lagebilder, in die alle
zuständigen Institutionen ihre Erkenntnisse einspeisen, um aktuelle
Wettergefahren richtig einzuschätzen und uns angemessen auf künftige
Wettergefahren vorzubereiten», sagte der DWD-Experte.

Auch für die Energiewirtschaft könne der DWD mit seinen Daten einen
Beitrag zur Energiewende leisten, sagte Renate Hagedorn von der
DWD-Wettervorhersage. Das betreffe etwa detailliertere Informationen
über meteorologische Rahmenbedingungen, die sich im Klimawandel
ändern, und über die regionalen Unterschiede bei Wind und Sonne.
Durch eine enge Verzahnung von noch genaueren Vorhersagen mit der
Netzsystemführung könnten jährlich Einsparungen in Millionenhöhe
erreicht werden. Hier immerhin sei die rekordmäßige Sonnenscheindauer
des vergangenen Jahres eines gute Nachricht gewesen: «2022 war ein
Traumjahr für die Photovoltaik.»