Kein Mutterschutz für Selbständige - Tischlerin kämpft für Reform Von Elmar Stephan, dpa

Wie lässt sich eine Schwangerschaft mit der Berufstätigkeit
vereinbaren? Für Angestellte ist das geregelt - aber Selbstständige
stehen in dieser Situation allein.

Alfhausen (dpa) - In der Werkstatt von Johanna Röh riecht es nach
Holz, auf einer Maschine liegt die Seitenwand einer Kommode. Seit
2016 ist die Tischlermeisterin und Restauratorin aus Alfhausen bei
Osnabrück selbstständig, so wie viele männliche Kollegen. Für die
35-Jährige ist aber manches anders, zumindest als im vergangenen Mai
ihre Tochter Mela zur Welt kam. «Als schwangere Unternehmerin passe
ich nicht ins System», hat sie festgestellt. Mit einer Petition an
den Bundestag will sie zusammen mit zwei anderen Unternehmerinnen
eine umfassende Reform des Mutterschutzes anstoßen.

Mutterschutz und Elternzeit ist für Angestellte kein Problem - bei
Selbstständigen ist die Situation komplizierter. Laut
Bundesfamilienministerium erhalten privat krankenversicherte
Selbstständige kein Mutterschaftsgeld. Sie müssen eine privaten
Krankentagegeldversicherung abschließen, und dort gilt es Wartezeiten
zu beachten. Die Schwangerschaft muss also gut geplant sein.

Wer als Selbstständige wiederum freiwillig bei einer gesetzlichen
Krankenkasse versichert ist, erhält während der Mutterschutzfristen
Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankentagegeldes von der Krankenkasse.
Allerdings muss der Krankentagegeldanspruch mit abgesichert werden.
Wer darauf verzichtet, hat keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld.
Gleich, ob privat oder gesetzlich versichert - als Unternehmerin
müsse sie Zusatzversicherungen abschließen, kritisiert Röh.

Krankengeld habe sie nicht bekommen, weil die Berechnung des
Krankengeldes noch in die Gründungsphase ihres Unternehmens gefallen
sei, als die Einnahmen noch gering und die Investitionen hoch gewesen
seien, erklärt Röh.

«Als Selbstständige ist es ein krasser Wettbewerbsnachteil, wenn ich
als Frau auch noch Familie möchte», sagt die Handwerkerin. Als
Selbstständige habe sie keine Leistungen bekommen, das habe ihre
Familie sehr viel gekostet. «Es war zwischendurch nicht ganz klar, ob
ich den Betrieb halten kann.»

Es sei wichtig, dass eine Schwangerschaft nicht zu einer
Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt führe, sagt Röh. «Wenn ich
den Betrieb schließen muss, weil ich schwanger werde, habe ich ja die
doppelten Kosten - die eigenen und die vom Betrieb.» Wenn ihr eine
Arbeitskraft zur Seite gestellt worden wäre, wie in der
Landwirtschaft möglich, hätte ihr das sehr viel geholfen. Finanziert
werden könnte das wie in der Agrarbranche über die Sozialkassen,
findet sie.

Inzwischen liegt die Petition dem Bundestag vor. Die
Forderung: Selbstständige Schwangere müssen den gleichen gesetzlichen

Mutterschutz genießen wie Angestellte.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus immerhin sieht Regelungsbedarf.
«Gleichbehandlung zwischen Selbstständigen und Angestellten ist nicht
ganz einfach. Aber es muss auch Selbstständigen möglich sein, ohne zu
hohe Hürden eine Familie gründen zu können», hatte die
Grünen-Politikerin bereits im Dezember den Funke-Zeitungen gesagt.
«Daher sollten wir auch die Freistellung für Selbstständige
ermöglichen.»

Inzwischen hat sich der Petitionsausschuss des Bundestags mit dem
Papier beschäftigt, wie die SPD-Bundestagsabgeordnete für den
Wahlkreis Osnabrück-Land, Anke Hennig, sagt. «Alle demokratischen
Parteien haben positiv darauf reagiert», erklärt die Politikerin. Der
parlamentarische Prozess sei damit gestartet worden. Aber das
Vorhaben sei komplex - es falle in die Zuständigkeit mehrerer
Ministerien. Solche parlamentarischen Abläufe dauerten lang.

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) unterstützt die
Petition, wie Verbandssprecherin Michaela Steinhauer sagt. Derzeit
bestehe eine Ungleichheit zwischen abhängig beschäftigten und
selbstständigen Handwerkerinnen. Dafür brauche es dringend politische
Lösungsansätze. Eine Möglichkeit seien Betriebshelfer nach Vorbild
der Landwirtschaft, wie von Röh und Co. gefordert. «Eine solche
Vertretungsmöglichkeit sollte dann aber als gesamtgesellschaftliche
Leistung aus Steuermitteln finanziert werden und nicht über
Beiträge», fordert Steinhauer.

Röh sagt: «Es muss sich etwas ändern.» Auch ihre Auszubildende steh
e
möglicherweise irgendwann vor derselben Frage: Familie oder
berufliche Selbstständigkeit. «Das ist ein gesellschaftliches
Anliegen, nicht ein rein privates.»