Hunderte Hausarztstellen frei - Forderung nach mehr Studienplätzen

Schon jetzt fehlen besonders auf dem Land viele Hausärzte. Künftig
könnte sich der Ärztemangel aus Sicht der Kassenärzte in
Niedersachsen noch verschlimmern. Der Gesundheitsminister nennt
Maßnahmen, wie die Landesregierung das verhindern will.

Hannover (dpa/lni) - Hunderte Hausärztinnen und Hausärzte fehlen
derzeit in Niedersachsen - besonders in ländlichen Regionen. Derzeit
gibt es 546 freie Hausarztsitze, wie die Kassenärztliche Vereinigung
Niedersachsen (KVN) am Montag in Hannover mitteilte. Für diese Praxen
wird also ein neuer Inhaber gesucht. Im Jahr 2019 waren landesweit
erst 355 Hausarztsitze unbesetzt gewesen. Wegen des zunehmenden
Ärztemangels sei es eine große Herausforderung, die freien Sitze auch
zu besetzen, sagte der KVN-Vorstandsvorsitzende Mark Barjenbruch. Das
Land müsse zügig mehr Medizin-Studienplätze schaffen. Die
Landarztquote allein genüge nicht. «Es ist ein Tropfen auf den heißen

Stein, aber es ist nicht die Lösung», betonte Barjenbruch.

Besonders angespannt ist die Lage bei den Hausärzten zurzeit laut KVN
in den Regionen Salzgitter, Delmenhorst, Syke, Cloppenburg und
Meppen. Dort gibt es zurzeit die größten Lücken. Bei den Fachärzten

sieht die Situation etwas besser aus, für sie gibt es zwischen Harz
und Nordsee derzeit 118,5 Niederlassungsmöglichkeiten sowie sieben
für Psychotherapeuten.

Um den Bedarf an Ärzten und Psychotherapeuten für bestimmte Gebiete
zu ermitteln, werden neben der Zahl der Einwohner, deren Alter und
Geschlecht auch die Häufigkeit von Erkrankungen innerhalb einer
Bevölkerungsgruppe berücksichtigt. Aus diesen Faktoren und der Zahl
der vorhandenen Mediziner wird der Versorgungsbedarf ermittelt.

Künftig dürfte es laut der KVN-Prognose immer schwieriger werden, die
ärztliche und psychotherapeutische Versorgung sicherzustellen.
Patientinnen und Patienten müssten sich daher langfristig auf längere
Anfahrtswege und längere Wartezeiten einrichten, hieß es.

In Niedersachsen werde bis zum Jahr 2035 die Anzahl der Hausärztinnen
und Hausärzte von jetzt über 5200 auf rund 3750 sinken, sagte
Barjenbruch. Bei der Versorgung mit Fachärztinnen und Fachärzten
werde es besonders im ländlichen Raum «starke Tendenzen in Richtung
Unterversorgung» geben. Betroffen sind laut der Prognose Augenärzte,
HNO-Ärzte, Hautärzte, Nervenärzte und Urologen.

Gesundheitsminister Andreas Philippi sagte, noch verfüge
Niedersachsen über eine gut ausgebaute vertragsärztliche Versorgung.
Die Prognose der KVN bestätigte aber einen bereits länger bestehenden
Trend, wonach eine regionale Ungleichverteilung und teils
Versorgungsengpässe drohten. «Da hilft kein Schönreden, da hilft nur

Gegensteuern. Und zwar mit vereinten Kräften», sagte der
SPD-Politiker in einer Mitteilung seines Ministeriums. Helfen soll
unter anderem die Landarztquote.

Weil schon seit Jahren Allgemeinmediziner in ländlichen Regionen
fehlen, hat die niedersächsische Landesregierung die sogenannte
Landarztquote eingeführt. Jährlich werden 60 Medizin-Studienplätze an

Bewerber vergeben, die sich für zehn Jahre zu einer hausärztlichen
Tätigkeit in unterversorgten Regionen verpflichten. Seit dem 1. März
können sich Interessenten erstmals auf diese Studienplätze bewerben.

«Großes Potenzial bietet aus meiner Sicht die zunehmende
Digitalisierung», sagte Philippi. Deshalb soll auch die Telemedizin
ausgebaut werden, mit der ärztliche Einschätzungen auch aus größere
r
Entfernung möglich seien.