Rheinland-Pfalz behält Corona im Abwasser und mit Studie im Blick

Um das Coronavirus und seine Verbreitung auch künftig im Blick zu
behalten, schauen Wissenschaftler in Rheinland-Pfalz mit einer Studie
zusätzlich auf Vergleichsdaten. Mit diesem Vorgehen ist das Land nach
eigenen Angaben bundesweit Vorreiter.

Mainz (dpa/lrs) - Mit Abwasser-Analysen zu Corona und einer
wissenschaftlichen Begleitstudie untersuchen Wissenschaftler in
Rheinland-Pfalz den Übergang der Pandemie zur Endemie. «Wir sind das
einzige Bundesland in Deutschland, das Abwasseruntersuchungen mit
einem Survey (Beobachtung) macht», sagte Landesimpfkoordinator Daniel
Stich (SPD) der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. «Damit stellt sich
Rheinland-Pfalz zugleich für mögliche künftige Pandemien auf.»

In 15 Kläranlagen des Landes werden zweimal wöchentlich Proben
genommen und auf das Coronavirus und seine aktuellen Varianten
untersucht. Dazu kommen knapp 7500 Menschen in den fünf Oberzentren
des Bundeslandes, die zweimal pro Woche einen Corona-Schnelltest
machen, wie Professor Karl-Heinz Küfer vom Fraunhofer-Institut für
Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) in Kaiserslautern sagte.

Dies sei schon «eine recht gute Zahl für Schätzungen» für die ges
amte
Bevölkerung in Rheinland-Pfalz. «In der Endausbauphase sollten es
aber mehr sein», sagte Küfer. Etwa 12 000 bis 14 000 Menschen seien
notwendig, um eine «gering schwankende Repräsentativgruppe» zu haben.


Die Studie trägt den Titel Beobachtungs- und Frühwarnsystem für
SARS-CoV-2 Infektionen, kurz «SentiSurv». Durch sie erhalte man eine
sehr aussagekräftige Inzidenz, sagte Stich.

Andere Bundesländer hätten bereits Interesse bekundet, berichtete
Küfer. Der Wissenschaftler leitet die Untersuchung im Auftrag des
Gesundheitsministeriums gemeinsam mit der Universitätsmedizin in
Mainz. Dabei können die Mediziner um Professor Philipp Wild auf Daten
der Gutenberg-Gesundheitsstudie zurückgreifen.

«Abwassertestungen sind vorausschauend und können auch andere Erreger
messen», sagte Küfer. Influenza und das Atemwegs-Virus RSV nannte er
als Beispiele. In New York und London seien auch schon Polio-
(Kinderlähmung) und Pocken-Viren im Abwasser festgestellt worden.
Allerdings sei etwa Influenza deutlich schwerer nachzuweisen als das
Coronavirus.

Schwankungen in den Kläranlagen erschwerten zudem die Ergebnisse.
«Jede Kläranlage hat unterschiedliche Stärken und Schwächen», sag
te
Küfer. In Ludwigshafen etwa seien die Ergebnisse durch Chemikalien
verzerrt. Es gebe aber auch eine Reihe anderer Faktoren, die zu
Schwankungen bei den Mess-Ergebnissen führten. So etwa Regenwasser,
Messungenauigkeiten, den Transport der Abwässer und Touristen.

«Wir können aber eine Woche früher im Abwasser erkennen, was in den
Krankenhäusern in der nächsten oder übernächsten Woche aufschlägt
»,
sagte Küfer. «Es ist ein Frühwarnsystem, aber nicht mehr», betonte

der Wissenschaftler. Die Ergebnisse aus den Abwasseruntersuchungen
ließen sich nicht auf die Zahl der Menschen hochrechnen. Schon gar
nicht könnten individuelle Isolierungsmaßnahmen daraus abgeleitet
werden, etwa bezogen auf Altersheime.

Die Landesregierung gibt für die Abwasseruntersuchung und die Studie
rund 2,5 Millionen Euro aus. Die Abwasser-Analysen haben im Oktober
2022 begonnen, das Projekt soll bis Ende dieses Jahres gehen. «Das
ist ein smartes, leicht skalierbares Modell», sagte Impfkoordinator
Stich. Zudem sei es eine gute Alternative zu anlasslosen Massentests
wie bei Corona. Diese seien auch nie im statistischen Sinne
repräsentativ gewesen und hätten die Inzidenz zumeist deutlich
unterschätzt, sagte Küfer. Dazu seien Fehlannahmen gekommen wie etwa
Testergebnisse aus Schulen und Kindergärten. «Die Kinder haben ihre
Eltern gar nicht so oft angesteckt, wie wir geglaubt haben.»