Gericht hebt fehlerhafte Bescheide zu Corona-Soforthilfen auf

Weil es sehr schnell gehen musste, um die Wirtschaft vor dem Kollaps
zu retten, hatte das Land im Frühjahr 2020 Fehler gemacht. Ein
Gericht hat jetzt über die Corona-Soforthilfen entschieden.

Münster (dpa/lnw) - Im Streit um Rückforderungen von
Corona-Soforthilfen hat das nordrhein-westfälische
Oberverwaltungsgericht am Freitag fehlerhafte Bescheide aufgehoben.
Damit schloss sich das OVG der Sicht der Verwaltungsgerichte aus der
Vorinstanz an. Das Land kann aber nach Hinweisen des Gerichts die
Schlussbescheide neu festsetzen und so überzahlte Beträge
zurückfordern. Das Gericht ließ keine Revision zu. Dagegen ist
Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig möglich.

Die Kläger, darunter ein Steuerberater, eine Inhaberin eines
Kosmetikstudios und der Betreiber eines Schnellrestaurants, hatten im
Frühjahr 9000 Euro Soforthilfen als Selbständige oder Unternehmer
bekommen. Mit Hilfsprogrammen von Bund und Land sollte ein
Zusammenbruch der Wirtschaft im ersten Lockdown verhindert werden.

Nach drei Monaten verschickte das Land Schlussbescheide und forderte
rund 7000 Euro zurück. Laut OVG waren dabei wegen des Zeitdrucks
Formulierungsfehler passiert, die bei den Empfängern zu
nachvollziehbaren falschen Erwartungen geführt hatten. So war unklar,
ob mit den Hilfen ausgefallener Umsatz, Zahlungsprobleme oder
Unterhalt ersetzt werden sollte.

Gedacht waren die Mittel aus Landes- und Bundesprogrammen auf Basis
von EU-Recht ausschließlich zur Milderung pandemisch bedingter
finanzieller Notlagen. Damit sollten besonders Liquiditätsengpässe
überbrückt werden, teilte das Gericht in der Begründung mit. Das Land

hatte aber Angaben verlangt, die am Ende ungeeignet waren, um die
richtige Fördersumme bestimmen zu können. «In welchem Umfang
Fördermittel während des Bewilligungszeitraums tatsächlich im Rahmen

der Zweckbindung der Förderung verwendet worden sind, konnte dort
nicht angegeben werden», heißt es in der Urteilsbegründung.

«Wenn etwas missverständlich formuliert ist, geht das zu Lasten des
Landes», hatte der Vorsitzende Richter Wolf Sarnighausen. Er hatte in
der über sieben Stunden dauernden mündlichen Verhandlung sowohl
Kritik am Land als auch an der Erwartungshaltung einiger
Antragsteller geübt. Zwar habe das Land Formulierungsprobleme gehabt,
aber jedem hätte klar sein müssen, dass zuviel gezahltes Geld
zurückgezahlt werden müsse.

Dem Land billigte er zu, dass die Fehler unter hohem zeitlichen Druck
entstanden seien, «im Interesse einer schnellen Hilfe». So hatte das
Land widersprüchliche Angaben gemacht. So stimmten die Angaben im
Antrag zumindest kurzzeitig nicht mit Informationsseiten des
Ministeriums überein.

Einer der Kläger hatte in der Verhandlung wiederholt auf seine
Umsatzverluste während der Pandemie hingewiesen. Laut Gericht aber
gibt es keine Hinweise in dem Verfahren, dass die Hilfen diese
ausgleichen sollen. Es gehe einzig und allein um die Milderung von
finanziellen Notlagen eines Unternehmens oder Selbständigen im
Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

An den sieben Verwaltungsgerichten des Landes waren rund 2500 Klagen
aufgelaufen. Der jetzt vom OVG aufgezeigte Weg sei notwendig, sagte
der Vorsitzende Richter, weil das Land mit den Entscheidungen der
Verwaltungsgerichte nicht habe arbeiten können.

Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Bündnis 90/Grüne) teilte am
Freitagabend mit: «Die Urteile werden zur Rechtssicherheit und
-klarheit für die Verfahren in der NRW-Soforthilfe 2020 beitragen.»
Es sei für alle Beteiligten von großer Bedeutung, dass erstmals
grundlegende Rechtsfragen der NRW-Soforthilfe geklärt wurden. «Als
nächstes werden wir die vom Senat angekündigte, ausführliche
Urteilsbegründung sorgfältig auswerten und die Auswirkungen prüfen»
,
so die Ministerin.