US-Analyse: Vogelgrippe lässt Hunderte Robben verenden

Die schwerste jemals dokumentierte Vogelgrippewelle macht
Artenschützern Sorgen. Immer wieder sind auch Säugetiere betroffen -
Robben gar in großer Zahl. Steigt das Risiko für den Menschen?

Medford (dpa) - In den USA hat es ein Massensterben unter Robben im
Zuge der aktuell kursierenden Vogelgrippe gegeben. In Neuengland im
Nordosten der USA seien Hunderte Seehunde und Kegelrobben an H5N1
verendet, berichtet ein Forschungsteam der Tufts University in
Medford (USA) im Fachjournal «Emerging Infectious Diseases».

Seit einiger Zeit grassiert die schwerste jemals dokumentierte
Vogelgrippewelle bei Vögeln. Sie erstreckt sich über mehrere
Erdteile. Zig Millionen Tiere starben bereits, insbesondere Seevögel.
Bekannt ist, dass die kursierende H5N1-Entwicklungslinie 2.3.4.4b
auch Säugetiere wie Nerze, Füchse, Waschbären, Marder und Bären
infiziert und tötet. Meist handelt es sich dabei um Einzelnachweise.

In Peru allerdings starben nach Angaben der Tufts University kürzlich
etwa 3500 Seelöwen an dem Virus, Kanada meldete ein Robbensterben an
der St.-Lorenz-Mündung. Zudem habe es Berichte aus Russland über ein
ähnliches Ereignis bei Robben im Kaspischen Meer gegeben.

Das Team um Wendy Puryear und Kaitlin Sawatzki wertete nun Daten zu
Erregeranalysen von Proben toter, kranker, aber auch gesunder Tiere
aus. Die Vogelgrippe war bei Vögeln und einigen Säugetieren in
Neuengland seit Januar 2022 fortlaufend mit Tests überwacht worden.
Demnach starben allein im Juni und Juli 2022 entlang der
Nordatlantikküste mehr als 330 Seehunde und Kegelrobben an der
Vogelgrippelinie 2.3.4.4b.

Zum Zeitpunkt des Robbensterbens in Neuengland habe das Virus auch
Möwen besonders hart getroffen, erläutern die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler. Teilweise gebe es paarweise Proben, manchmal
buchstäblich von einem Vogel und einer Robbe am selben Strand,
erklärte Puryear. Eine Robbe könne sich anstecken, wenn sie mit
Exkrementen eines kranken Vogels oder mit dadurch verunreinigtem
Wasser in Berührung komme, oder wenn sie einen infizierten Vogel
fresse.

Dass H5N1 bei Wasservögeln zu fast 100 Prozent tödlich ist, sei
bekannt. Die Studie zeige nun, dass dies auch für Säugetiere gelten
könnte: Alle Robben, die positiv auf das Virus getestet wurden, waren
zum Zeitpunkt der Probenahme bereits tot oder erlagen dem Erreger
kurz darauf.

Diskutiert werde noch die Frage, ob das Virus auch zwischen Robben
übertragen wird. «Es wäre nicht überraschend, wenn es zu einer
Übertragung zwischen Robben kommen kann, da dies bei der niedrig
pathogenen Vogelgrippe bereits so war», sagte Puryear. Definitive
Nachweise fehlen aber noch - für Robben und generell für eine
Übertragung von Säugetier zu Säugetier.

Experten haben Sorge, dass sich das Virus besser an Säugetiere und
damit auch den Menschen anpassen könnte. Bisher wird nur ein
Todesfall in China nachweislich auf die derzeit kursierende Gruppe
von Vogelgrippe-Viren zurückgeführt. Bei der im Oktober gestorbenen
Frau sei das H5N1-Virus der Gruppe 2.3.4.4b festgestellt worden,
hatte das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) kürzlich mitgeteilt. Sie
sei 38 Jahre alt gewesen und habe Kontakt zu infiziertem Hausgeflügel
gehabt. Sie bekam eine schwere Lungenentzündung und starb im
Krankenhaus.

Beunruhigt hatte Experten ein Vogelgrippe-Ausbruch auf einer
spanischen Nerzfarm im Oktober 2022. Es gebe bei den Tieren Hinweise,
dass sich der Erreger genetisch besser an Säugetiere anpasst hat,
hieß es. Ob es in der Farm Übertragungen von Tier zu Tier gab oder
einen anderen Ansteckungsweg etwa über Futter, ist bisher unklar.
Übertragungen von Säugetier zu Säugetier würden ein höheres Risik
o
für den Menschen bedeuten.