Vater ersticht Sohn - Verzweiflung und tiefe Reue zum Prozessauftakt von Karen Katztke, dpa

Die Tat ist emotional kaum zu ertragen: Ein Vater ersticht sein
eigenes Kind, mutmaßlich im Wahn. Zu Verfahrensbeginn in Kiel zeigte
der Mann tiefe Reue und Verzweiflung. Im Verfahren geht es nicht um
Strafe.

Bösdorf (dpa/lni) - Ein 40 Jahre alter Mann, der wegen Mordes an
seinem sechsjährigen Kind in Kiel vor Gericht steht, hat zum Auftakt
tiefe Reue geäußert. «Es tut mir so unendlich leid, was passiert
ist», sagte der Mann aus Hamburg zu Beginn des Sicherungsverfahrens
am Mittwoch vor dem Kieler Landgericht.

Die Tat, die dem Hamburger vorgeworfen wird, ist kaum zu
ertragen: Der Mann soll am 25. September 2022 auf dem Campingplatz
Bösdorf in Schleswig-Holstein seinen sechsjährigen Sohn im Wohnwagen
heimtückisch ermordet haben. «Im Zustand der Schuldunfähigkeit»,
betont Staatsanwältin Gesine Flemming aber in ihrer Antragsschrift. 

Demnach ist der Vater psychisch schwer erkrankt und war zur Tatzeit
«der wahnhaften Überzeugung, dass ein Atomkrieg unmittelbar
bevorsteht und die Bomben bereits fallen.» Im Prozess geht es
deswegen nicht um Strafe, sondern die Unterbringung des Mannes in der
Psychiatrie auf unbestimmte Zeit.  

Im Wahn habe der Mann den Entschluss gefasst, das Kind und sich
selbst zu töten, sagte die Staatsanwältin. Er «bedeckte das Gesicht

des schlafenden Sechsjährigen, zerschnitt seine Kehle und stach
mehrfach in den Oberkörper, wobei er aufs Herz zielte», sagte sie.
Der Sohn verblutete. Der Mann war demnach wegen seiner
Erkrankung «nicht in der Lage das Unrecht seines Handelns einzusehen

beziehungsweise danach zu handeln».

Nach der Tat rief der Beschuldigte nach Polizeiangaben selbst den
Notruf. Er leistete demnach keinen Widerstand bei der Festnahme.
Seine selbst zugefügten Schnittverletzungen seien nicht
lebensgefährlich gewesen. 

In dem Sicherungsverfahren will das Schwurgericht unter dem
Vorsitzenden Stefan Becker auch erörtern, ob der Mann auch eine
Gefahr für die Allgemeinheit ist. Die Ärzte einer Fachklinik hiel
ten
den 40-Jährigen für schwer psychisch erkrankt und suizidal, sagte
Becker. Mit Herannahen des Prozesses habe dessen Belastung so
zugenommen, dass die Ärzte empfehlen würden, «reizarm» und nicht
öffentlich zu verhandeln.

Auch deswegen erließ das Gericht die Anordnung, die Öffentlichkeit
erst nach dem letzten Wort des Beschuldigten zur Urteilsverkündung
wieder zuzulassen. Sie soll am 6. Juni sein. Der Ausschluss
diene aber auch den höchstpersönlichen schutzwürdigen Lebensbereich
en
des Beschuldigten und der Mutter des Kindes, sagte Becker. Sie ist
Nebenklägerin, blieb dem Verfahren am ersten Tag aber fern.
Angehörige des Angeklagten waren dagegen gekommen. Auch sie äußerten

sich ebenso wenig wie der Verteidiger und die Rechtsanwältin der
Mutter als Nebenklagevertreterin. Dass der Fall allen zusetzt, war
den Gesichtern deutlich anzusehen. 

Wie schwer auch der Vater an der mutmaßlichen Wahntat zu tragen hat,
machte der Mann selbst nach Verlesung der Antragsschrift durch die
Staatsanwältin und dem Beschluss des Gerichts auf Ausschluss der
Öffentlichkeit deutlich: Es tue ihm unendlich leid, was passiert sei,
auch «für alle diejenigen, die mit diesem Alptraum weiterleben
müssen», sagte er unter Tränen. Es falle ihm «schwer, Worte zu find
en
für das es keine Worte gibt», sagte er weinend und zitternd und
ergänzte: «Er fehlt mir so.»