Corona-Ausbruch im Heim - Geldstrafe nur wegen Impfpass-Fälschung Von Christina Sticht, dpa

Eine frühere Pflegeheim-Mitarbeiterin ist nicht für den Tod einer
Seniorin verantwortlich. Das hat das Landgericht Hildesheim auf
Grundlage wissenschaftlicher Gutachten entschieden. Die Angeklagte
reagierte erleichtert.

Hildesheim (dpa) - Nach einem Corona-Ausbruch mit drei Toten in einem
Hildesheimer Pflegeheim ist eine frühere Mitarbeiterin lediglich
wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt
worden. Die 46-Jährige hatte ihrem Arbeitgeber einen gefälschten
Impfpass vorgelegt. Strafmildernd wertete das Landgericht Hildesheim
am Mittwoch unter anderem, dass die Frau sich selbst wegen des
Impfpasses bei der Polizei angezeigt hatte.

Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft ihr zudem fahrlässige
Tötung und fahrlässige Körperverletzung zur Last gelegt, was die Frau

stets abstritt. In Bezug auf diese Vorwürfe wurde das Verfahren
eingestellt, nachdem Gutachter vorgetragen hatten, dass die
46-Jährige nicht zweifelsfrei als Auslöserin der Infektionskette
bestimmt werden könne.

Die Frau hatte Ende November 2021 drei Tage lang weiter als
Alltagsbegleiterin in dem Heim gearbeitet, während ihr Sohn Corona
hatte und sie unbemerkt selbst auch infiziert war. Als ungeimpfte
Kontaktperson hätte sie sich nach den damaligen Regeln eigentlich in
Quarantäne begeben müssen. Verteidigung und Staatsanwaltschaft
verzichteten auf Rechtsmittel - damit ist das Urteil rechtskräftig.

In dem Pflegeheim hatten sich Ende 2021 insgesamt fünf Beschäftigte
und elf Bewohner mit Corona infiziert. Drei 80, 85 und 93 Jahre alte
Frauen starben, bei der 80-Jährigen war laut rechtsmedizinischer
Untersuchung Corona die Todesursache. Bei den anderen beiden waren
andere Ursachen nicht auszuschließen.

Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt - auch weil bisher
nach Corona-Ausbrüchen in Pflegeheimen strafrechtliche Ermittlungen
wegen fahrlässiger Tötung zumeist eingestellt worden waren.

Nach der Urteilsverkündung wirkte die 46-Jährige erleichtert und
tauschte sich lächelnd mit Bekannten sowie mit ihrer erwachsenen
Tochter aus. Ihr Verteidiger Velit Tümenci hatte einen Freispruch
beantragt, die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 600 Euro (60
Tagessätze) wegen Urkundenfälschung.

Am ersten Prozesstag hatte die Angeklagte durch ihren Rechtsanwalt
erklären lassen, dass sie keine Corona-Leugnerin sei und sich
inzwischen habe impfen lassen. Den gefälschten Impfpass habe sie im
September 2021 auf Druck ihres oft gewalttätigen Lebensgefährten
ausgefüllt. Er habe auch für sich selbst und die Tochter ein falsches
Impfzertifikat besorgt. Die Fälschung wurde zunächst von der
Heimleitung aufgedeckt. Diese war misstrauisch geworden, weil der
angeblich ebenfalls doppelt geimpfte Partner der Mitarbeiterin schwer
an Covid-19 erkrankte und ins Krankenhaus kam. Er starb infolge der
Infektion.

Der Alltagsbegleiterin wurde fristlos gekündigt, nachdem sie die
Täuschung zugegeben hatte. Wie ihr Verteidiger am ersten Prozesstag
sagte, ist sie immer noch arbeitslos und psychisch belastet.

Als Gutachter sagten ein Professor für Mikrobiologie der Universität
Düsseldorf und ein Laborleiter vom niedersächsischen
Landesgesundheitsamt aus. Sie hatten auffällige Übereinstimmungen
zwischen den PCR-Proben der verstorbenen Bewohnerinnen und des
verstorbenen Lebensgefährten der Angeklagten festgestellt. Die
PCR-Probe der 46-Jährigen war versehentlich im Labor vernichtet
worden. Eine Infektionskette mit der Angeklagten als Auslöserin sei
aber nicht eindeutig zu beweisen, hieß es. Sie hatte keinen direkten
Kontakt zu den Verstorbenen.

Es ist nicht mehr nachvollziehbar, ob auch noch andere Besucher des
Heims im fraglichen Zeitraum unbemerkt mit Corona infiziert waren.
Die Besucherlisten sind laut Heimleitung aus Datenschutzgründen wie
vorgeschrieben vernichtet worden.

Eine komplette Einstellung des Verfahrens sei nicht in Frage
gekommen, sagte der Vorsitzende Richter Philipp Suden. In einem Heim
lebten besonders gefährdete Menschen mit vielen Vorerkrankungen. An
einem solchen Ort über die eigene Impfung zu täuschen, wirke
schwerwiegender als an anderen Arbeitsstellen. Die Frau hatte nach
Zeugenaussagen in dem Heim immer eine FFP2-Maske getragen, obwohl
nach ihrer angeblichen Impfung auch eine medizinische Maske
ausgereicht hätte.