Studie: Deutlich mehr Kinder und Jugendliche mit Mediensucht

Für immer mehr Kinder und Jugendliche verliert die reale Welt an
Bedeutung. Sie daddeln einer Untersuchung zufolge stundenlang in
sozialen Netzwerken oder spielen Computerspiele. Forscher beobachten
eine besorgniserregende Entwicklung.

Berlin (dpa) - Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland
verbringen ihre Zeit in der virtuellen Welt - und das bis zur
Abhängigkeit. Einer Studie zufolge sind etwa 680 000 junge Menschen
süchtig nach Computerspielen und sozialen Medien. Diese Zahl habe
sich während der Corona-Pandemie mehr als verdoppelt, heißt es in
einer gemeinsamen Untersuchung der Krankenkasse DAK und des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Der Anteil der Minderjährigen, die Suchtverhalten bei Social Media
aufweisen, stieg demnach seit dem Jahr 2019 von 3,2 auf 6,7 Prozent.
Bei der Nutzung von Computerspielen kletterte die Quote von damals
2,7 Prozent auf 6,3 Prozent im vergangenen Jahr. Für die Studie wurde
eine repräsentative Gruppe von 10- bis 21-Jährigen aus rund 1200
Familien zu ihrem Umgang mit digitalen Medien befragt. Das
Meinungsforschungsinstitut Forsa führte dafür den Angaben zufolge im
Zeitraum von drei Jahren bundesweit in fünf Wellen Befragungen durch.

Die Ergebnisse sind nach Einschätzung von DAK-Vorstandschef Andreas
Storm alarmierend: «Wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, rutschen
immer mehr Kinder und Jugendliche in die Mediensucht, und der
negative Trend kann nicht mehr gestoppt werden.» Er fordert einen
Ausbau von Prävention und Hilfsangeboten. «Es ist eine neue
Entwicklungsaufgabe von Politik und Gesellschaft, dass Kinder und
Jugendliche lernen, die Risiken der Nutzung digitaler Medien
einschätzen zu können und ihr Nutzungsverhalten zu reflektieren,
damit sie die Möglichkeiten der digitalen Welt langfristig für ihr
privates und berufliches Leben konstruktiv nutzen können», sagte
Storm.

Vor allem männliche Jugendliche sind der Studie zufolge anfällig:
Während die Geschlechterverteilung bei der Abhängigkeit von sozialen
Medien noch relativ ausgeglichen ist, sind von einer sogenannten
Gaming-Sucht zu zwei Dritteln Jungen betroffen. Von den Kindern und
Jugendlichen, deren Nutzung von digitalen Spielen als problematisch
gilt, sind 68,4 Prozent männlich.

Mit Mediensucht werden dem Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert
zufolge Verhaltensweisen bezeichnet, die viele Merkmale von Sucht
oder Abhängigkeit aufweisen. Die Betroffenen hätten beispielsweise
ihren Umgang mit Internet und Computerspielen nicht mehr unter
Kontrolle und würden andere Lebensaufgaben deswegen vernachlässigen.

Mit der Studie wurden erstmals auch die körperlichen Auswirkungen
exzessiver Mediennutzung untersucht. Das Ergebnis: Ein Drittel der
Befragten klagt nach mehrstündiger Nutzung von digitalen Geräten über

Nackenschmerzen (32,1 Prozent). 23,4 Prozent der Kinder und
Jugendlichen haben trockene oder juckende Augen, 16,9 Prozent gaben
an, durch ihre Mediennutzung Schmerzen im Unterarm oder der Hand zu
haben.

Im Vergleich zum Lockdown im Frühjahr 2020 haben sich demnach
Nutzungszeiten von Computerspielen wieder reduziert, sie liegen noch
immer deutlich über dem Vor-Corona-Niveau. Im September 2019
verbrachten Kinder und Jugendliche an einem Werktag im Schnitt 78
Minuten mit Computerspielen, bei der bislang letzten Befragung im
Juni 2022 waren es 113 Minuten. Auch bei Social Media war die
Nutzungsdauer bei den Befragten zuletzt rund 35 Prozent höher als im
Herbst 2019.