Studie: Weltweite Feinstaubbelastung übersteigt Grenzwerte meist

Langfristige Feinstaubbelastung kann zu Herz-Kreislauferkrankungen
und Lungenkrebs führen. Die Weltgesundheitsorganisation hat darum vor
einiger Zeit strengere Richtwerte festgelegt - eingehalten werden sie
bisher kaum.

Melbourne (dpa) - Die Feinstaubbelastung ist für Menschen weltweit
nach wie vor sehr groß. Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
empfohlene Tageshöchstwert für Partikel der Größe PM2,5 wurde zulet
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im globalen Durchschnitt an 70 Prozent aller Tage überschritten, wie
ein Forschungsteam im Fachmagazin «The Lancet Planetary Health»
berichtet. Nur 0,001 Prozent der Menschen leben demnach an Orten, an
denen der empfohlene Jahreshöchstwert nicht übertroffen wird.

Als PM2,5 werden Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von weniger
als 2,5 Mikrometern (tausendstel Millimetern) bezeichnet. Die Gruppe
um Yuming Guo von der Monash University in Melbourne (Australien)
hatte die Feinstaubbelastung auf Basis von Messwerten und
Computermodellen für die Jahre 2000 bis 2019 ermittelt.
PM2,5-Partikel können teils bis in die Lungenbläschen und in die
Blutbahn vordringen. Langfristige Feinstaubbelastung kann zu
Herz-Kreislauferkrankungen und Lungenkrebs führen.

Nach WHO-Angaben sterben jährlich rund sieben Millionen Menschen
vorzeitig infolge von Luftverschmutzung. Nach Daten der
EU-Umweltagentur EEA starben allein in der EU im Jahr 2020 rund 240
000 Menschen durch die Belastung der Luft in ihrer Umgebung mit
Feinstaub vorzeitig.

Feinstaub entsteht dem Umweltbundesamt (Uba) zufolge etwa im Verkehr,
in Kraft- und Fernheizwerken, Öfen und Heizungen sowie bei der
Metall- und Stahlerzeugung. Er kann auch natürlichen Ursprungs sein -
etwa als Folge von Bodenerosion. In Ballungsgebieten ist der
Straßenverkehr die dominierende Quelle. Ein weiterer wichtiger
Verursacher ist die Landwirtschaft: Die Emissionen gasförmiger
Vorläuferstoffe, insbesondere die Ammoniakemissionen aus der
Tierhaltung, tragen zur sekundären Feinstaubbildung bei, wie es beim
Uba heißt.

Im Hinblick auf die aktuelle Studie spricht Roland Schrödner vom
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig von einem
vielversprechenden Ansatz, der zumindest für die Regionen mit
Messstationen plausible Daten liefere. Der Forscher, der selbst nicht
an der Studie beteiligt war, gibt aber auch zu bedenken, dass die
berücksichtigte Partikelgröße PM2,5 nur ein Kompromiss sei.
Gesundheitsgefährdend seien hauptsächlich Partikel der Größe PM1,
also mit einem Mikrometer oder weniger Durchmesser, die eine
Untergruppe der Kategorie PM2,5 darstellen. Künftig könnten und
müssten die Größenkategorien von Feinstaub genauer erfasst werden.
Außerdem komme es auf die chemische Zusammensetzung an.

Die WHO hatte die empfohlenen Grenzwerte für PM2,5-Feinstaub im Jahr
2021 gesenkt, weil Studien gezeigt hatten, wie stark die Gesundheit
unter Luftverschmutzung leidet. Für die mittlere jährliche Belastung
wurde der Richtwert von 10 auf 5 Mikrogramm (tausendstel Gramm) pro
Kubikmeter Luft verringert. In Deutschland wurde dieser Wert im Jahr
2022 nach Uba-Angaben an fast allen der etwa 200 Messstationen
überschritten.

«Eine Fülle von Beweisen hat die nachteiligen Auswirkungen einer
kurzfristigen und langfristigen Exposition gegenüber PM2,5 in der
Umgebungsluft auf die menschliche Gesundheit gestützt, selbst bei
niedrigen PM2,5-Konzentrationen», schreiben Guo und Kollegen. Das
Team hatte Feinstaub-Messwerte von 5446 Stationen in 65 Ländern als
Basis für ein Computermodell genommen, das den weltweiten Transport
von Substanzen durch die Luft nachbildet. Ergänzt um Daten zu Wetter,
Klima, Landnutzung und geografischen Gegebenheiten wurde die
weltweite tägliche PM2,5-Feinstaubbelastung mit einer Auflösung von
etwa zehn mal zehn Kilometern berechnet. Die Forscher gehen davon
aus, dass ihr Modell auch realistische Werte für die Regionen
liefert, in denen keine Messstationen stehen.

Für den Zeitraum 2000 bis 2019 wurde ein weltweiter
PM2,5-Jahresdurchschnitt von 32,8 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft
ermittelt. Am höchsten lag der Wert demnach mit etwa 50 in Ostasien
(mit China), gefolgt von Südasien mit 37,2 und Nordafrika mit 30,1.
Die niedrigsten Werte wiesen Australien und Neuseeland (8,5), das
übrige Ozeanien (12,6) und Südamerika (15,6) auf. Der von der WHO
empfohlene Tageshöchstwert von 15 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft
wurde weltweit an mehr als 70 Prozent aller Tage überschritten, in
Ost- und Südasien sogar an mehr 90 Prozent aller Tage.

Einen Rückgang der Feinstaubbelastung gab es der Analyse zufolge in
Europa sowie in einigen Regionen Nordamerikas und Afrikas. In Europa
wurde der empfohlene Tageshöchstwert im Jahr 2000 noch an knapp 60
Prozent aller Tage überschritten, 2019 waren es nur noch 25 Prozent
aller Tage. In Nordeuropa lagen die Werte dabei deutlich niedriger
als in den übrigen Regionen des Kontinents.