Nach Fehldiagnosen - Anklage fordert acht Jahre Haft für Pathologen

Hat ein Pathologe vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt, als er
Krebserkrankungen bei zwei Proben fälschlicherweise ausgeschlossen
hatte? Darum geht es bei einem Prozess in Saarbrücken.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind sich uneinig.

Saarbrücken (dpa/lrs) - Für die Oberstaatsanwältin ist im Prozess
gegen einen Pathologen aus St. Ingbert wegen falscher Diagnosen mit
fatalen Folgen die Lage klar: Sie sieht es als erwiesen an, dass sich
der heute 64-Jährige des Totschlags und des versuchten Totschlags und
der Körperverletzung schuldig gemacht hatte. Vor dem Landgericht
Saarbrücken forderte sie am Montag dafür eine Haftstrafe von acht
Jahren, wobei es sich um eine Gesamtfreiheitsstrafe aus insgesamt
drei Prozessen handelte.

Der heute 64-jährige Deutsche soll 2019 bei Untersuchungen von Proben
in zwei Fällen fälschlicherweise einen Hautkrebs ausgeschlossen
haben. Ärzte und Patienten hatten daher keine weiteren medizinischen
Behandlungen eingeleitet. Einer der beiden Männer (Jahrgang 1952)
verstarb ein Jahr später. Bei der richtigen Diagnose hätte er laut
Gutachter mehrere Jahre mit guter Lebensqualität gewinnen können, so
die Oberstaatsanwältin.

Bei dem anderen Patienten (45) war die bösartige Erkrankung erst bei
einer erneuten Hautveränderung 2020 festgestellt worden. Seine
Prognose sei nun deutlich schlechter. Wäre seinerzeit die richtige
Diagnose erfolgt, hätte er ein Stadium mit sehr guten Heilungschancen
erreichen können. Nun sei er zudem durch die erforderlich gewordenen
engmaschigen Kontrollen «psychisch äußerst belastet» und erhebliche
r
Strahlenbelastung ausgesetzt.

Laut Staatsanwaltschaft war dem Pathologen bewusst gewesen, dass er
aufgrund einer Suchterkrankung und Depression nicht in der Lage
gewesen sei, den Facharztstandard einzuhalten. Er selbst habe im
August 2018 einen Antrag auf Berufsunfähigkeit gestellt und
detailliert seine Defizite ausgeführt.

Die Verteidigung plädierte hingegen auf fahrlässige Körperverletzung

und Körperverletzung mit Todesfolge. Sie beantragte eine Gesamtstrafe
von sieben Jahren und sechs Monaten. «In Ausübung seines ärztlichen
Berufes hat er Fehler gemacht», räumte der Verteidiger ein, «aber er

hat in allen Fällen mit Sicherheit dem guten Ausgang vertraut.» Weil
ihr Mandant bereits seit Februar 2020 in Haft und «gesundheitlich
sehr angeschlagen» sei, beantragte die Verteidigung, den Haftbefehl
aufzuheben.

Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor dessen Aufrechterhaltung gefordert
- insbesondere aufgrund von Fluchtgefahr. Es gäbe Hinweise, dass der
Pathologe ein Haus und erhebliches Vermögen in der Schweiz besäße.

Der Angeklagte schloss sich am Montag den Ausführungen seiner
Verteidiger an. Am Mittwoch (9.00 Uhr) soll das Urteil fallen.