Betroffene und Ärzte kritisieren neues Gesetz zur Intensivpflege

Kassel/Berlin (dpa/lhe) - Patienten, Selbsthilfe-Vereine und Ärzte
befürchten, dass Intensivpflegepatienten aufgrund eines neuen
Gesetzes in ihrem Recht auf häusliche Betreuung eingeschränkt werden.
Hintergrund ist die am 1. Januar neu eingeführte Richtlinie zur
außerklinischen Intensivpflege (AKI). Sie ist eine Umsetzung des
neuen Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes (IPReG)
und sieht vor, dass künftig vor jeder ärztlichen Verordnung der
pflegerischen Leistungen die ergänzende Untersuchung durch einen
besonders qualifizierten Facharzt vorgeschrieben ist.

«Die entsprechenden medizinischen Kapazitäten sind aber nicht
vorhanden», sagte Markus Behrendt, selbst Vater eines beatmeten
jungen Erwachsenen und Vorsitzender des Elternselbsthilfe-Vereins
IntensivLeben in Kassel. Es gebe schlichtweg nicht genug dieser
Fachärzte.

Ziel der Neuregelungen ist es laut Ministerium, die Versorgung der
Patientinnen und Patienten mit außerklinischem Intensivpflegebedarf
zu verbessern und Fehlanreize zu vermeiden. Auf die Kritik von
Betroffenen und Verbänden hatte der Gemeinsame Bundesausschuss mit
einer Übergangsfrist bis zum Oktober reagiert.

Dass die ambulanten Versorgungsstrukturen bis dahin in allen Regionen
rechtzeitig zur Verfügung stehen, hält Behrendt allerdings für
ausgeschlossen. Beteiligte Fachärzte teilen seine Sorge. «Das
Hauptproblem sind die nicht verfügbaren medizinischen Strukturen, die
dieses Gesetz voraussetzt», sagte Lennart Gunst, Funktionsoberarzt
und Kinderpneumologe am Universitätsklinikum Freiburg und Sprecher
der Sektion Kinder und junge Menschen bei der Deutschen
Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB).

Der Aufbau zusätzlicher ambulanter Strukturen könne nicht ausreichend
und schnell genug vorangetrieben werden.

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, im Koalitionsvertrag
zwischen SPD, FDP und Grünen sei vorgesehen, dass bei der
intensivpflegerischen Versorgung die freie Wahl des Wohnorts erhalten
bleiben müsse. «Das Intensivpflege- und
Rehabilitationsstärkungsgesetz soll darauf hin evaluiert und
nötigenfalls nachgesteuert werden.»