Raucherkneipen: Der umstrittene Kompromiss Von Christine Cornelius, dpa

Rauchen in der Kneipe? In Bayern undenkbar, in den meisten
Bundesländern aber wegen Ausnahmeregelungen hier und da möglich.
Kritiker bemängeln den «Flickenteppich an Regelungen» und sehen den
Nichtraucherschutz unterwandert.

Berlin (dpa) - Wer eine Zigarette zum Bier möchte, kann dafür in
zahlreichen deutschen Kneipen drinnen sitzenbleiben. Beim Rauchverbot
in der Gastronomie gibt es in den meisten Bundesländern
Ausnahmeregelungen. Nur in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im
Saarland ist der Nichtraucherschutz strenger. Hier gehen Raucherinnen
und Raucher zum Qualmen vor die Kneipentür. Für die
Nichtraucher-Initiative Deutschland mit Sitz im bayerischen
Unterschleißheim ist dieser «Flickenteppich an Regelungen» ein
unhaltbarer Zustand. Ein bundesweites striktes Rauchverbot wäre ihr
zufolge von Vorteil für Gäste und Beschäftigte.

Der Inhaber des Hofbräu Raucher Stüberl in Hamburg, Peter Krall,
sagt: «Es gibt doch genug Nichtraucherkneipen, lasst doch die
Raucherkneipen. Wenn ich mich wirklich daran störe, dann gehe ich da
nicht hin.» Auf einer Feier für die Kippe vor die Tür zu gehen,
findet er ungemütlich, außerdem sei es laut für die Anwohner. «Die

Leute erkälten sich, die Leute frieren, das alles haben Sie bei uns
nicht.» In seiner Kneipe gebe es außerdem seit fünf Jahren eine
«riesige Luftaustauschanlage», so dass es deutlich weniger verqualmt
rieche als in gewöhnlichen Raucherkneipen. Er habe viele Kneipen
erlebt, die wegen des Rauchverbots pleite gegangen seien.

Ernst-Günther Krause von der Nichtraucher-Initiative sagt: «Wenn es
wirklich nur Raucher wären, die in Raucherkneipen gehen, wäre es
etwas Anderes.» Aber es gebe einen gewissen Gruppenzwang oder
Partnerzwang für Nichtraucherinnen und Nichtraucher, mit in
Raucherkneipen zu kommen. «Da heißt es dann gern «Hab' dich doch
nicht so».» Aus Sicht des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds
Krause wird der Schutz der Raucher so über den Schutz der
Nichtraucher gestellt, das sei unakzeptabel. Dabei könne doch jeder
im Freien rauchen.

«Nach den guten Entwicklungen in Bayern oder in NRW müssen andere
Länder jetzt nachziehen. Wenn ein großes Land wie Hessen sich dazu
entscheidet, das hätte schon eine Signalwirkung.» Allerdings: Derzeit
plane die Landesregierung nicht, die Regelungen im Hessischen
Nichtraucherschutzgesetz zu verschärfen, teilt das Sozialministerium
des Landes auf Anfrage mit.

Einer der beiden Geschäftsführer der 2022 eröffneten Kneipe Lotte am

Zoo in Berlin-Charlottenburg sieht es pragmatisch. «So viele
Raucherbars gibt es gar nicht, man hat gegebenenfalls schon einen
Vorteil, wenn man das Rauchen erlaubt», sagt Marc Rosenfeld. Auch
hier gibt es eine Abluftanlage, wie er betont. Es rauchten aber
weniger Gäste als erwartet. «Liegt auch daran, dass wir viele
Touristen zu Gast haben und im Ausland das Rauchen in Kneipen meist
nicht mehr erlaubt ist.»

Rosenfeld geht davon aus, dass Deutschland da in den nächsten Jahren
nachzieht. «Ich finde schon, dass Rauchen ein Stück weit zur
Kneipenkultur dazugehört. Aber es wäre auch kein Weltuntergang, wenn
es nicht mehr möglich wäre.»

Das Bezirksamt zählt in Charlottenburg-Wilmersdorf rund 200
Rauchergaststätten. Ein Überblick über die zahlenmäßige Entwicklu
ng
liegt hier nicht vor, anders als in Berlin-Mitte, wo das Bezirksamt
einen Anstieg verzeichnet: «2017 gab es 66 Raucherkneipen im Bezirk.
Aktuell sind dem Bezirk 88 Raucherkneipen bekannt.» Berliner
Nichtraucher beklagen allerdings, dass die Regeln teils nicht
eingehalten würden, weder von Wirten noch von Gästen, gerade bei
späterer Stunde und steigendem Alkoholpegel.

Viele deutsche Städte erfassen die Anzahl der Raucherkneipen nicht
statistisch. Die Stadt Mainz in Rheinland-Pfalz teilt mit: «Von der
Tendenz her ist jedoch zu beobachten, dass der Trend eher zu einer
Nichtraucherkneipe geht.»

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) kritisiert, in
Raucherräumen und Raucherkneipen sei die Tabakrauchbelastung hoch und
der Rauch ziehe auch in angrenzende Räume. Nur eine vollständig
rauchfreie Umwelt gewähre einen umfassenden Schutz vor Passivrauchen.
«Daher sollten die Bundesländer ihre Nichtraucherschutzgesetze
überarbeiten und eine vollständig rauchfreie Gastronomie,
einschließlich Verbot der Nutzung von Tabakerhitzern, E-Zigaretten
und Wasserpfeifen, einführen», erklärt die Leiterin Stabsstelle
Krebsprävention, Katrin Schaller.

Der Branchenbundesverband Dehoga bezeichnet die Rauchverbote mit klar
definierten Ausnahmen als guten Kompromiss. «Es gilt: Dort, wo
gegessen wird, wird nicht geraucht.» Das werde allgemein akzeptiert.
«In Ländern wie NRW und Bayern mit einem strikten Rauchverbot sieht
es leider anders aus. Hier sind die Umsätze in der getränkegeprägten

Gastronomie eingebrochen, viele kleine Eckkneipen sind mit den Jahren
auf der Strecke geblieben», heißt es von dem Bundesverband.

Die Dehoga Nordrhein erklärt rückblickend, die Situation sei anfangs
schwierig gewesen. «Der Unmut hat sich aber längst gelegt, man hat
sich gewöhnt», sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Isabel
Hausmann. «Es ist kein Thema mehr, das Gros unserer Gastronomen
findet das gut. Solange nicht das Rauchen draußen verboten wird, sind
Gäste und Gastronomen zufrieden mit der Situation.»

In Bayern gehen Kneipengäste seit 2010 zum Qualmen vor die Tür. In
einem Volksentscheid hatte sich eine Mehrheit für ein strenges
Rauchverbot in Gaststätten, Clubs, Kneipen und Bierzelten
ausgesprochen. «Natürlich gab es damals im Nachgang zu der
Entscheidung heftige Diskussionen», erinnert sich der Geschäftsführer

der Dehoga in Bayern, Frank-Ulrich John. «Aber mittlerweile ist das
überhaupt kein Thema mehr. Es wird gelebt, es funktioniert.»