Mehr psychisch kranke Straftäter - Hamburg muss Kliniken ausbauen

Sie begehen schwere Verbrechen, sind aber schuldunfähig: Immer
häufiger weisen Gerichte psychisch kranke Straftäter in Kliniken ein.
Trotz knapper Kapazitäten können in Hamburg alle Patienten
untergebracht werden - nur machen manche «therapeutischen Urlaub».

Hamburg (dpa/lno) - Die Zahl der psychisch kranken Straftäter im
Hamburger Maßregelvollzug hat sich in den vergangenen 20 Jahren
verdreifacht. Im Februar waren nach Angaben der Sozialbehörde 350
Patienten untergebracht. Ende 2002 hatte die Zahl der Insassen im
Maßregelvollzug 116 betragen. Vor zehn Jahren, Anfang 2013, war die
Zahl der untergebrachten Personen bereits auf 270 gestiegen. Der
Senat rechnet mit einer weiteren Zunahme und plant den Ausbau der
Klinikkapazitäten.

In den vergangenen drei Jahren hätten alle Straftäter, die von
Gerichten in ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine
Entziehungsanstalt eingewiesen wurden, in den Hamburger
Maßregelvollzug aufgenommen werden können, erklärte ein Sprecher der

Sozialbehörde. In Berlin war Anfang Februar ein nach einem
Geldtransporter-Überfall verurteiltes Clan-Mitglied wegen
Platzmangels im Maßregelvollzug aus der Haft entlassen worden.

Auch in der Hansestadt gibt es erhebliche Kapazitätsprobleme.
Menschen, die als Verdächtige einer schweren Straftat nur einstweilig
vom Gericht in eine Klinik eingewiesen werden, müssen in Hamburg
häufig im Untersuchungsgefängnis sitzen. Zwischen Anfang 2022 und
Ende Februar 2023 wurden 58 Personen auf diese Weise «in Amtshilfe»
untergebracht, wie der Senat auf eine Kleine Anfrage der
Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Cansu Özdemir mitteilte. Sie
verbrachten zwischen 3 und 132 Tagen im Untersuchungsgefängnis,
obwohl sie eigentlich in einer Klinik behandelt werden sollten.

Juristen halten diese Praxis für fragwürdig. Seit 2020 ordnete das
Hanseatische Oberlandesgericht in zwölf Fällen an, dass die
Betroffenen in eine psychiatrische Klinik verlegt werden müssen, wie
aus einer anderen Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des
CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker hervorgeht.

Hamburg verfügt zurzeit über 335 Unterbringungsplätze im
Maßregelvollzug, davon 325 in der Asklepios Klinik Nord/Ochsenzoll
und 10 auf einer neuen Station im Zentralkrankenhaus des Hamburger
Justizvollzugs in der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis. In
diesem Jahr sollen in Ochsenzoll 40 Plätze hinzukommen, im nächsten
Jahr 10. Auch im Zentralkrankenhaus sollte eine weitere Station mit 8
Plätzen eingerichtet werden, doch fehlt dafür das Personal.

Auch in den kommenden Jahren will Hamburg die Kliniken erweitern. «Da
für Hamburg wie auch bundesweit eine Trendumkehr in der
Belegungssteigerung im Maßregelvollzug (...) derzeit nicht absehbar
ist, geht die zuständige Behörde vom Erfordernis weiterer Kapazitäten

für den Maßregelvollzug bis zum Jahr 2030 aus», hieß es in der
Senatsantwort auf die Linken-Anfrage.

Die Gesamtzahl der Patienten übersteigt seit mindestens Anfang 2021
deutlich die Kapazitäten. Doch wie aus der Antwort auf die
CDU-Anfrage weiter hervorgeht, befanden sich zu den Stichtagen immer
40 bis 50 Patienten in einem «therapeutischen Urlaub».