Klee und Nervenzellen: Deutsche Studenten-Experimente fliegen zur ISS Von Christina Sticht, dpa

Viele Nationen und auch private Unternehmen richten den Blick ins
All. Doch für künftige Missionen etwa zum Mars ist noch eine Menge
Forschung notwendig. Teams junger Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler aus Deutschland bekommen jetzt eine besondere Chance.

Hannover (dpa) - Wie können Raumfahrzeuge weniger reparaturanfällig
werden? Welche Pflanzen eignen sich für den Anbau im All während
einer Langzeitmission, etwa auf dem Weg zum Mars? Zur Beantwortung
dieser und anderer Fragen haben junge Forscherinnen und Forscher aus
Deutschland Experimente entwickelt, die sie in der Nacht zu Mittwoch
zur Internationalen Raumstation (ISS) schicken dürfen. Insgesamt
wurden vier Projekte von Studierenden-Teams aus Hannover, Stuttgart,
München und auch aus Luxemburg ausgewählt. Sie hatten sich 2021 im
Wettbewerb «Überflieger 2» durchgesetzt, wie das Deutsche Zentrum f
ür
Luft- und Raumfahrt (DLR) mitteilte.

Neben einer finanziellen Unterstützung von jeweils 20 000 Euro dürfen
die Gewinner-Teams den Start (geplant für 15.3., 2.30 Uhr deutscher
Zeit) der Falcon 9-Trägerrakete des Unternehmens SpaceX am
Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida miterleben.

«Die Zusammenarbeit mit den Leuten vom Kennedy Space Center hier vor
Ort ist total spannend», sagt Nils Wörz, der an der Universität
Hannover Pflanzenbiotechnologie studiert. Sieben Mitglieder des
zehnköpfigen Teams «Glücksklee» sind nach Florida gereist.

Ihr Experiment beschäftigt sich mit Pflanzenwachstum in der
Schwerelosigkeit. Für zukünftige Langzeitmissionen werde es notwendig
sein, dass Astronauten Pflanzen, am besten proteinreiche
Hülsenfrüchte wie Erbsen oder Linsen, als Nahrungsquelle in den
Raumfahrzeugen anbauen, erläutert der 25-Jährige.

Im Experiment benutzt das Team eine Klee-Modellpflanze (Medicago
truncatula), die mit einem Bakterium (Sinorhizobium meliloti)
infiziert wird. «Eigentlich brauchen Pflanzen neben Licht, Luft und
Wasser auch Dünger, um gut gedeihen zu können», erklärt Wörz. Die

Gruppe möchte untersuchen, ob die Methode der Selbstdüngung durch die
Symbiose mit dem Bakterium auch in der Schwerelosigkeit funktioniert.

Die Pflanzen werden in vorgefertigten Containern (10 mal 10 mal 20
Zentimeter) zur ISS transportiert. Die kleinen Boxen bleiben dort 30
Tage lang und müssen von den Astronauten nicht angerührt werden. Der
autonome Betrieb ist für alle teilnehmenden Versuche Voraussetzung.

Das Team der Universität Stuttgart will drei Anwendungen von
sogenannten Ferrofluiden in der Schwerelosigkeit testen. Ziel ist, in
der Raumfahrt mechanische Teile wie Schalter durch weniger
verschleißanfällige Technologien zu ersetzen. Nach Angaben des
Instituts für Raumfahrtsysteme der Stuttgarter Uni verbringen
Astronauten bis zu zwei Stunden am Tag mit Wartungsarbeiten. «Das ist
zeit- und kostenintensiv. Um künftige Missionen zum Beispiel zum Mars
zu realisieren, müssen Raumfahrzeuge möglichst wartungsfrei
funktionieren», sagt Manfred Ehresmann vom Institut für
Raumfahrtsysteme.

«Das Forschungsgebiet von Ferrofluiden in der Raumfahrt ist noch
nicht verbreitet, deswegen liegt es an uns, das Ganze in Fahrt zu
bringen», betont Studentin Bahar Karahan aus dem Stuttgarter Team.
Ferrofluide sind Flüssigkeiten, in denen magnetische Partikel
vorhanden sind, die auf externe Magnetfelder reagieren.

Das Experiment des Teams von der Technischen Universität München
(TUM) stammt aus der Alters- und Demenzforschung. Bisherige Forschung
auf der ISS hat nach Angaben des DLR gezeigt, dass unter
Weltraumbedingungen in vielen Bereichen Alterungsprozesse deutlich
schneller ablaufen. Die Gruppe schickt Nervenzellen ins All. Ein Teil
der Zellkulturen wird mit einem Protein behandelt, das bei Alzheimer
eine wichtige Rolle spielt. Die Ergebnisse werden anschließend mit
Experimenten auf der Erde verglichen.

«Wir wurden schon sehr häufig gefragt, ob dann bald jeder
Alzheimer-Patient zur Therapie ins All fliegt. Tatsächlich ist wohl
eher das Gegenteil der Fall», sagt die Leiterin der TUM-Gruppe, Fanny
Rößler. Weil bestimmte Alterungsprozesse im All beschleunigt
ablaufen, gehe es darum herauszufinden, ob Effekte von degenerativen
Erkrankungen besser im Weltraum zu erforschen seien.

Das vierte Team von der University of Luxembourg will in der
Schwerelosigkeit aus menschlichen Stammzellen sogenannte Organoide
züchten, die zur Erforschung der Entstehung von Krankheiten und der
Wirkung von Medikamenten genutzt werden.

Während das Münchner Team die Daten voll automatisiert direkt auf der
ISS misst, wird das Pflanzen-Experiment aus Hannover nach 30 Tagen
eingefroren und anschließend in Hannover ausgewertet.
Biotechnologie-Student Nils Wörz hat am Projekt «Glücksklee»
besonders die Zusammenarbeit im Team mit Kommilitonen anderer
Fachrichtungen wie Maschinenbau und Informatik gefallen. Später einen
Job im Zusammenhang mit Raumfahrt zu finden, wäre ein Traum, sagt er.
«Astrobiologie ist enorm spannend. Aber vielleicht bleibe ich auch
einfach bei Forschung auf der Erde.»