Übervoller Maßregelvollzug hat Auswirkungen auf Justiz

Wenn ihre Tat im Zusammenhang mit einer Drogenabhängigkeit oder einer
psychischen Erkrankung steht, sollen Straftäter im Maßregelvollzug
Therapie erfahren. Weil die Spezialeinrichtungen überfüllt sind, ist
das oft nicht möglich.

Magdeburg/Uchtspringe (dpa/sa) - Der Maßregelvollzug für psychisch
kranke und suchtkranke Straftäter ist weiterhin überfüllt - und das
hat auch Auswirkungen auf die Justiz. Die entsprechenden
Einrichtungen des Landes Sachsen-Anhalt verfügten aktuell über eine
Kapazität von 443 stationären Betten, Ende Januar seien dort 511
Menschen untergebracht gewesen, teilte das Sozialministerium in
Magdeburg auf Nachfrage mit. Aus dem Justizministerium hieß es:
«Entsprechend der unserem Haus vorliegenden Erkenntnisse können
verurteilte Straftäter aufgrund der angespannten Belegungssituation
in Sachsen-Anhalt nicht problemlos im Maßregelvollzug aufgenommen
werden.»

Die sogenannte Organisationshaft komme häufig vor, so ein
Ministeriumssprecher. Diese besondere Haftform greift vorübergehend
in den Gefängnissen, wenn ein Verurteilter nicht sofort im
Maßregelvollzug untergebracht werden kann. «Im vergangenen Jahr
mussten Verurteilte aus der Organisationshaft entlassen werden, weil
eine Aufnahme im Maßregelvollzug mangels Kapazitäten nicht möglich
war.»

Die angespannte Belegungssituation entspreche einer bundesweit
bekannten Problemlage, deshalb könne eine Unterbringungen auch
außerhalb des Landes Sachsen-Anhalt nicht sichergestellt werden, hieß
es aus dem Justizministerium. Zur Überführung aus der Haft in den
Maßregelvollzug seien in Sachsen-Anhalt nach aktuellem Stand bis zum
Jahr 2025 rund 50 Menschen vorgesehen.

Der übervolle Maßregelvollzug ist in Sachsen-Anhalt seit Jahren ein
Problem. Der Psychiatrieausschuss des Landes hat immer wieder darauf
hingewiesen. Der Ausschussvorsitzende Hans-Henning Flechtner hatte
zuletzt im Oktober vergangenen Jahres gesagt, zum einen würden mehr
Patienten eingewiesen, zum anderen habe sich die Klientel verändert.
Es gebe mehr Patienten mit Psychosen und solche, die von mehreren
Drogen abhängig seien. Früher bildeten alkoholabhängige Straftäter

einen besonders großen Anteil.

Die Trends gibt es laut Flechtner bundesweit. Nötig seien intensive
Therapien, die unter den aktuellen Bedingungen aber nicht gut
stattfinden könnten. Es fehle das nötige Personal. Im Maßregelvollzug

sollen straffällige Patienten auf ein sucht- und straffreies Leben
vorbereitet werden.

Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) hatte im Oktober
angekündigt, Erweiterungen sollten Abhilfe schaffen. Es gibt
Neubau-Projekte an den beiden großen Standorten in Bernburg
(Salzlandkreis) und Uchtspringe (Stendal). Als voraussichtliche
Termine für die Fertigstellung wurden das dritte Quartal 2023
beziehungsweise das erste Quartal 2024 genannt.