Erleichterte Einbürgerung: Mehrheit sieht Reformpläne kritisch Von Anne-Béatrice Clasmann, dpa

Noch sind die neuen Vorhaben der Koalition zur Migrationspolitik
nicht in trockenen Tüchern. Vor allem beim Staatsangehörigkeitsrecht
will die FDP noch Änderungen. Nicht nur ihre Anhänger betrachten die
dazu bekanntgewordenen Pläne mit Skepsis, wie eine Umfrage zeigt.

Berlin (dpa) - Nach der Einführung des sogenannten
Chancen-Aufenthaltsrechts bereitet sich die Ampel-Koalition jetzt auf
ihre nächsten Reformschritte zur Migrationspolitik vor. Bei der
Mehrheit der Deutschen stoßen die Pläne des Bundesinnenministeriums
für eine erleichterte Einbürgerung allerdings auf wenig Begeisterung.
Das zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen
Presse-Agentur.

Kern der Pläne von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist eine
Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre. Bei
besonderen Integrationsleistungen sollen drei Jahre genügen. Außerdem
soll die doppelte Staatsbürgerschaft auch für Nicht-EU-Bürger, die
Deutsche werden wollen, grundsätzlich erlaubt sein.

59 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger lehnen laut Umfrage
den Entwurf für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ab. Dabei
erklärten 37 Prozent von ihnen, sie lehnten das Vorhaben «voll und
ganz» ab, 22 Prozent äußerten sich eher ablehnend. Nur neun Prozent
der Befragten befürworteten den Entwurf voll und ganz, weitere 22
Prozent äußerten sich eher positiv. Jeder Zehnte hatte zu der Frage
entweder keine Meinung oder machte keine Angaben.

Deutsche mit Migrationshintergrund bewerten die geplanten Änderungen
laut Umfrage etwas positiver als Menschen ohne familiäre
Einwanderungsgeschichte. Die Tendenz ist jedoch bei beiden Gruppen
ähnlich. Im Osten Deutschlands ist die Ablehnung für eine schnellere
Einbürgerung insgesamt etwas stärker als im Westen der
Bundesrepublik. Von den befragten Anhängern der Ampel-Parteien
befürworteten einzig diejenigen, die angaben, bei der letzten
Bundestagswahl die Grünen gewählt zu haben, mehrheitlich den
Vorschlag der Innenministerin.

Zu dem Vorhaben gibt es zwischen den Regierungsparteien noch
Diskussionen. Während die Grünen im Großen und Ganzen hinter den
Plänen der Bundesinnenministerin stehen, hat die FDP Nachbesserungen
gefordert. Weniger umstritten zwischen den Ampel-Partnern ist die
geplante Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetz, die in den
kommenden Wochen vom Kabinett beschlossen werden dürfte.

Allerdings führt die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger den
aktuellen Mangel an Arbeitskräften in bestimmten Branchen zuvorderst
nicht auf zu hohe Hürden bei der Erteilung von Arbeitsvisa zurück,
sondern auf niedrige Löhne und unattraktive Arbeitsbedingungen.

Nach den wesentlichen Gründen für die Schwierigkeiten bei der Suche
nach Pflegepersonal, Lehrkräften, Handwerkern, IT-Fachleuten und
anderen Arbeitskräften gefragt, nannten 63 Prozent der Teilnehmer der
Umfrage «schlechte Bezahlung». Jeweils rund ein Viertel der
Bürgerinnen und Bürger sieht ein nicht ausreichendes
Betreuungsangebot in Kitas und Schulen, beziehungsweise den Mangel an
jungen Erwerbsfähigen - als Folge des demografischen Wandels - als
Ursache. Dass hohe bürokratische und rechtliche Hürden für Fachkräf
te
aus dem Ausland eine Schwierigkeit sind, vermuten etwa 30 Prozent.

Auf die von YouGov gestellte Frage, was aus ihrer Sicht die
wichtigste Maßnahme sei, um den Arbeitskräftemangel in Deutschland zu
beheben, wurden höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen am
häufigsten genannt (38 Prozent). Auf Platz Zwei landete die
Antwortvariante «Die Jobcenter sollten sich besser um die Fortbildung
und Vermittlung von Arbeitslosen kümmern» (14 Prozent). Jeweils jeder
Zehnte sprach sich dafür aus, das Renteneinstiegsalter zu erhöhen,
die Einwanderung zu Erwerbszwecken nach Deutschland unkomplizierter
zu machen, ältere Arbeitskräfte mit mehr Wertschätzung länger im Jo
b
zu halten sowie Ausbildungsstellen attraktiver zu gestalten.

Die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch hört von den Bürgern
in ihrem Wahlkreis Konstanz nach eigener Aussage, «dass es ihnen zum
einen wichtig ist, nur Menschen einzubürgern, die sich wirtschaftlich
selbst tragen können und zum anderen Menschen, die sich bei uns
integrieren». Diese Haltung vertrete auch ihre Partei.

Für die Hauptursache des Arbeitskräftemangels hält Jurisch den
demografischen Wendel. «Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wollen
wir die Hürden für ausländische Arbeitskräfte nun absenken, um dem

entgegenzuwirken.» Dass Deutschland von Fachkräften nicht immer als
attraktives Zielland wahrgenommen werde, liege aber auch an der hohen
Abgabenlast und der mangelnden Digitalisierung.

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz
(CSU), hält das geplante Update für das noch von Schwarz-Rot
beschlossene Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung dagegen für
überflüssig. Sie meint, die Ampel-Regierung hätte besser daran getan,

«die neuen Regelungen mit Werbemaßnahmen und ausreichend Personal in
den Auslandsvertretungen erst einmal richtig zur Anwendung zu
bringen.» Stattdessen wolle die Ampel «künftig in erheblichem Umfang

auch Unqualifizierte nach Deutschland holen». Das sei angesichts der
vielen Arbeitslosen und der im Vergleich überschaubaren Zahl offener
Stellen in diesem Segment des Arbeitsmarktes der falsche Weg.

Bei der Einbürgerung sieht Lindholz keinen Grund für Erleichterungen,
sondern plädiert sogar dafür, die Hürden punktuell leicht anzuheben,

etwa mit erhöhten Anforderungen an die Erwerbstätigkeit der
Antragsteller. Die Ampel-Parteien behaupteten, das
Staatsangehörigkeitsrecht «moderner» machen zu wollen, sagte die
CSU-Politikerin, «aber wer sagt eigentlich, dass eine schnellere und
leichtere Einbürgerung automatisch moderner ist?»