Bürger können unberechtigt verhängte Corona-Bußgelder zurückforde rn

Alleine auf einer Parkbank sitzen und ein Buch lesen - zu Beginn der
Corona-Pandemie konnte das in Bayern teuer werden. Inzwischen ist
klar, dass die Staatsregierung damit übers Ziel hinausgeschossen ist.
Nun macht sie sich an die versprochene Rückzahlung von Bußgeldern.

München (dpa/lby) - Nach der Niederlage der Staatsregierung vor dem
Bundesverwaltungsgericht Ende 2022 können Bürgerinnen und Bürger ganz

bestimmte unberechtigt verhängte Corona-Bußgelder nun zurückfordern.

Konkret geht es um Fälle, in denen Menschen zu Beginn der Pandemie
zur Kasse gebeten wurden, weil sie alleine oder mit Angehörigen ihres
Haushalts ihre Wohnung verließen und sich im Freien aufhielten. Das
teilte das Gesundheitsministerium am Donnerstag nach Prüfung der
inzwischen vorliegenden Urteilsbegründung mit. Die Betroffenen - dies
dürften bayernweit einige Tausend sein - können die Rückzahlung
demnach nun formlos bei den damals zuständigen Behörden beantragen.

«Beim Thema Rückzahlungen setzen wir auf ein möglichst einfaches
Vorgehen», sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). «Die
Anträge auf Rückzahlung werden nun unbürokratisch abgearbeitet.»

Wenn das Bußgeld per Bußgeldbescheid verhängt wurde, entscheiden laut

Ministerium die Bezirksregierungen über die Rückerstattungen. Die
Anträge können dann bei den Kreisverwaltungsbehörden, die den
Bußgeldbescheid erlassen haben, oder direkt bei der für die jeweilige
Kreisverwaltungsbehörde zuständigen Regierung eingereicht werden.

Wurde das Bußgeld hingegen von einem Gericht ausgesprochen, sind die
Justizbehörden für die Entscheidung über die Rückerstattung
zuständig. «In diesen Fällen wird empfohlen, den Antrag bei dem
Gericht, das in erster Instanz über die Geldbuße entschieden hat,
oder bei der für dieses Gericht zuständigen Staatsanwaltschaft zu
stellen», so die Erläuterung des Gesundheitsministeriums.

FDP-Fraktionschef Martin Hagen reicht das nicht: «Die Staatsregierung
sollte die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zumindest proaktiv über

die Möglichkeit einer Rückzahlung informieren lassen, soweit dies
durch die Verwaltungsbehörden bei vorliegenden Daten über die
Bußgeldbescheide möglich ist.» Immerhin habe auch die Staatsregierung

den Fehler zu verantworten. «Zuerst werden die Menschen rechtswidrig
zuhause eingesperrt und jetzt sollen sie auch noch selbst ihrem Geld
hinterherlaufen - das ist respektlos gegenüber unseren Bürgerinnen
und Bürgern.»

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte Ende November 2022
geurteilt, dass die strengen Ausgangsbeschränkungen des Freistaats im
April 2020 unverhältnismäßig und unwirksam waren. «Das ganztägig
und
damit auch während der Tagstunden geltende Verbot, die eigene Wohnung
zum Verweilen im Freien zu verlassen, war ein schwerer Eingriff in
die Grundrechte der Adressaten», entschieden die Verwaltungsrichter.

Die Staatsregierung hatte daraufhin eine Rückzahlung von unberechtigt
verhängten Bußgeldern angekündigt - aber erst nach Vorliegen der
schriftlichen Urteilsgründe des Bundesverwaltungsgerichts.

Insgesamt waren im fraglichen Zeitraum - vom 1. bis 19. April 2020 -
bayernweit rund 22 000 Bußgelder wegen Verstößen gegen die damalige
Ausgangsbeschränkung verhängt worden. Nur ein Teil der Betroffenen -
die genaue Zahl ist unklar - kann aber nun auf Rückzahlung hoffen:
eben wenn sie ein Bußgeld explizit deshalb bezahlen mussten, weil sie
ihre Wohnung damals verließen, «um alleine oder mit Angehörigen des
eigenen Hausstands im Freien zu verweilen». Holetschek betonte, dass
in allen anderen Fällen keine Geldbußen zurückgezahlt würden. Etwa

wenn Bußgelder verhängt wurden, weil Menschen die eigene Wohnung
verlassen haben, um andere zu treffen oder gar Partys zu feiern.

Grundsätzlich hält die Staatsregierung ihren damaligen Kurs immer
noch für richtig. «Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in
Leipzig lässt sich entnehmen, dass gegen die Anordnung einer
Ausgangsbeschränkung im Allgemeinen als Mittel der Pandemiebekämpfung
keine Bedenken bestehen», argumentierte Holetschek. «Das bestätigt
grundsätzlich unsere damalige Entscheidung, die Ausbreitung des Virus
mit dem Mittel der Ausgangssperre zu verlangsamen.» Es sei zu Beginn
der Pandemie besonders wichtig gewesen, rasch und entschlossen zu
handeln. «Dabei war unser Ziel immer der Schutz von Menschenleben.»