Wall Street: Deutliche Verluste - Zinssorgen sind zurück

New York (dpa) - Die Angst vor schneller steigenden Zinsen hat am
Dienstag an den US-Börsen einen Kursrutsch ausgelöst. Die wichtigsten
Aktienindizes büßten zwischen 1,2 und 1,7 Prozent ein. Der Chef der
US-Notenbank Fed, Jerome Powell, hält nach einer Verringerung des
Zinserhöhungstempos künftig wieder größere Zinsschritte für mög
lich,
um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen.

Der Leitindex Dow Jones Industrial sackte nach vier Gewinntagen in
Folge um 1,72 Prozent auf 32 856,46 Punkte ab. Der marktbreite S&P
500 fiel um 1,53 Prozent auf 3986,37 Punkte. Für den
Technologie-Auswahlindex Nasdaq 100 ging es um 1,22 Prozent auf 12
152,17 Punkte nach unten.

«Die jüngsten Wirtschaftsdaten sind besser ausgefallen als erwartet,
daher wird der Zinsgipfel wahrscheinlich höher ausfallen als bisher
angenommen», sagte Powell vor dem Bankenausschuss des US-Senats.
«Wenn die Gesamtheit der Daten darauf hindeuten sollte, dass eine
schnellere Straffung gerechtfertigt ist, wären wir bereit, das Tempo
der Zinserhöhungen zu erhöhen.» Er wiederholte zudem die Aussage,
dass weitere Anhebungen angemessen seien.

«Die Äußerungen des Fed-Chefs erhöhen das Maß an Unsicherheit ü
ber
die US-Leitzinsentwicklung in den kommenden Monaten», schrieb Analyst
Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg. Auf der jüngsten
Zinssitzung vom 1. Februar schien die Botschaft noch relativ klar
gewesen zu sein, dass es nun mit «kleineren» Schritten von 0,25
Prozentpunkten weiter zum ultimativen Zielpunkt gehe. Der unerwartet
robuste Start der US-Wirtschaft ins neue Jahr und neue Zweifel an
einer zügigen Entspannung in puncto Inflation hätten jedoch den
Handlungsdruck auf die Währungshüter wieder erhöht.

Im Dow notierten mit Ausnahme des Pharmakonzerns Merck & Co alle
Aktien im Minus. Unter den Finanzinstituten fielen Goldman Sachs und
JPMorgan um jeweils drei Prozent. Den Banken half die Aussicht auf
höhere Erträge in einem Umfeld weiter steigernder Zinsen nicht. Es
überwog die Furcht vor den negativen Konsequenzen höherer Zinsen für

die Gesamtwirtschaft, da sich in einem solchen Umfeld Investitionen
und Kredite verteuern. Damit könnte das Wachstum abgewürgt werden,
was wiederum die Fähigkeit einschränkt, Bankkredite zu bedienen.

Am Dow-Ende büßten die Anteilsscheine der Drogerie- und
Apothekenkette Walgreens Boots Alliance 3,7 Prozent ein. Der
kalifornische Gouverneur Gavin Newsom von den Demokraten hatte
gesagt, dass der Staat keine Geschäfte mehr mit dem Konzern machen
werde, nachdem dieser jüngst den Verkauf von Abtreibungspillen in 20
republikanisch geführten Bundesstaaten gestoppt hatte.

Als Schlusslicht im Nasdaq 100 knickten die Anteilsscheine von Rivian
um 14,5 Prozent ein, nachdem sie im Handelsverlauf ein Rekordtief
erreicht hatten. Der Hersteller von Elektrofahrzeugen will durch den
Verkauf von «grünen» Wandelanleihen 1,3 Milliarden US-Dollar
aufnehmen. Die Erlöse sollen zur Finanzierung, Refinanzierung oder
für Investitionen in laufende und künftige «grüne» Projekte verwe
ndet
werden.

Am Devisenmarkt litt der Euro unter den Hinweisen auf weitere
US-Zinserhöhungen und notierte zuletzt bei 1,0550 US-Dollar. Die
Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs auf 1,0665 (Montag:
1,0646) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,9377 (0,9393)
Euro.

Am US-Anleihenmarkt gerieten vor diesem Hintergrund insbesondere kurz
laufende Anleihen unter Druck. Im Gegenzug stieg die Rendite
zweijähriger Staatsanleihen über fünf Prozent und damit auf das
Niveau von 2007. Der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen
(T-Note-Future) gab um 0,01 Prozent auf 110,97 Punkte nach. Die
Rendite zehnjähriger Staatspapiere betrug 3,97 Prozent.