Streit über Klinikreform - «Ungeordnetes Krankenhaussterben»

Dass es eine grundlegende Reform der Krankenhauslandschaft geben
muss, ist in der Politik unstrittig. Zu sehr stehen die Kliniken
wirtschaftlich unter Druck. Nun aber gibt es Streit zwischen
Bundesgesundheitsminister Lauterbach und seinem NRW-Kollegen Laumann.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Bei den Plänen für eine tiefgreifende Reform
der Krankenhauslandschaft stehen die Zeichen zwischen dem Bund und
Nordrhein-Westfalen auf Konfrontation. Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD) warnte seinen NRW-Kollegen Karl-Josef Laumann (CDU)
am Dienstag, die bereits eingeleitete Krankenhausreform für das
bevölkerungsreichste Bundesland weiter durchzuziehen. Die Reform
Laumanns hätte «keine Geldflüsse zur Folge», sagte Lauterbach nach

einem Besuch der SPD-Landtagsfraktion in Düsseldorf. Komme die Reform
des Bundes nicht, dann sei überdies ein «ungeordnetes
Krankenhaussterben» zu erwarten.

Bei dem von einer Regierungskommission vorgelegten Reformkonzept
werde durch Wissenschaftler und nach einheitlichen Kriterien
deutschlandweit festgelegt, welches Krankenhaus welche Leistungen
anbieten könne. «Und dann fließt auch Geld», so der SPD-Politiker
Lauterbach. «In dem Moment, wo bundesweit die Leistungskomplexe
beschrieben sind und auf der Grundlage dann auch das Geld fließt,
wird das Interesse an der Reform von Herrn Laumann sehr gering sein.»
Denn wenn die NRW-Krankenhäuser die Kriterien nicht erfüllten,
könnten sie ihre Leistungen auch nicht mehr abrechnen.

SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty forderte Laumann auf,
seine Pläne auf Eis zu legen und sich jetzt eng mit dem Bund
abzustimmen. «Es macht jetzt keinen Sinn, einen eigenen
Krankenhausplan durchzuziehen, ohne die bundespolitischen
Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die sich in den nächsten
Monaten ändern werden», sagte der Oppositionsführer im Landtag.
Laumann dürfe den Krankenhausbetreibern jetzt «keinen Sand in die
Augen streuen». «Am Ende würden viele Krankenhäuser bitter enttäu
scht
sein, weil die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stünden.»

Laumann warf Lauterbach vor, sein Versprechen bei den
Bund-Länder-Verhandlungen zu brechen, dass er auf Augenhöhe
verhandeln und gemeinsam beschließen werde. «Das ist nicht besonders
vertrauenswürdig und stößt die anderen Länder ebenfalls vor den
Kopf.» Lauterbach müsse sich auch entscheiden: «Will er eine
Krankenhausreform umsetzen, die quasi alleine unter
wissenschaftlichen Laborbedingungen entworfen worden ist, oder will
er die Expertise der Praktiker mit einbeziehen?»

NRW habe bereits auf Basis eines wissenschaftlichen Gutachtens alle
wichtigen Akteure mit einbezogen, etwa die Krankenhausgesellschaft,
die Ärzte und die Pflege. Alle stünden hinter der Reform. NRW habe
weiterhin großes Interesse am Gelingen beider Krankenhausreformen -
«und wir sind überzeugt, dass beide Reformen gut miteinander
kompatibel sind», so Laumann. Den Gesetzesplänen muss auch der
Bundesrat zustimmen - also haben die Länder mitzureden.

Lauterbach will Kliniken von wirtschaftlichem Druck befreien, indem
unter anderem die Pauschalbeträge (Fallpauschalen) abgesenkt werden,
die die Krankenhäuser pro Patient oder Behandlungsfall bekommen. Das
soll Anreize senken, möglichst viele Patienten zu behandeln. Im
Gegenzug sollen die Kliniken feste Beträge für das Vorhalten von
Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik bekommen.
Zudem sollen sie bundesweit einheitlich in drei Versorgungsstufen
eingeordnet werden - von der wohnortnahen Grundversorgung bis zu
Maximalversorgern wie Universitätskliniken.

Lauterbach versicherte, dass es künftig keinen Mangel an mittleren
Krankenhäusern geben werde, die «das «Brot- und Butter-Geschäft»

machten und zum Beispiel Stroke Units für Schlaganfall-Patienten oder
Herzinfarktversorgung vorhielten. Diese Kliniken würden durch die
Länder platziert. Die kleineren Kliniken würden als Basisversorger
weiterhin etwa Blinddarm-OPs durchführen oder Frakturen behandeln.

Bei Laumanns Reform sollen sich die Krankenhäuser in Abstimmung mit
Kassen, Verbänden und Krankenhausgesellschaft künftig auf bestimmte
Leistungen wie Herz-Operationen oder Knie-Prothesen bis zur
Geburtshilfe spezialisieren. Zur Ermittlung des Bedarfs wird die
jährliche Fallzahl je medizinischer Leistung herangezogen. Genau das
kritisiert aber Lauterbach. Damit würde es seiner Meinung nach bei
vielen überflüssigen Hüft-, Knie- oder Wirbelsäulen-Operationen
bleiben, damit Kliniken überleben könnten. Schon jetzt gebe es in
vielen Bereichen «zu viele Eingriffe mit zu wenig Qualität».

«Es muss deutschlandweit unabhängige Standards geben», so Lauterbach.

Daher wolle er «Lobby-Verbände» wie die Krankenhausgesellschaft oder

Kassen nicht an der Erarbeitung beteiligen, damit keine
«Basar-Situation» entstehe. Niemand in den Ländern bestreite, dass
die Reform eine bessere Qualität zur Folge hätte. Auch kleinere
Krankenhäuser könnten damit überleben. Lauterbach will bis zur
Sommerpause Eckpunkte für die grundlegende Umgestaltung der
Kliniklandschaft vorlegen. Laumann will seine Reform bereits im Lauf
des Jahres 2024 abschließen.

Die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) zeigte sich irritiert von
Lauterbachs Ausführungen. Der Bundesminister brüskiere alle
Landesregierungen, deren Zustimmung er für seine Reformpläne
eigentlich brauche, sagte KGNW-Geschäftsführer Matthias Blum. «Die
Erwartungshaltung der Krankenhäuser ist, dass Bund und Länder in
ihren Gesprächen eine gemeinsame Krankenhausreform entwickeln, die
für eine weiterhin belastbare Versorgung der Patientinnen und
Patienten sorgt.» Die in NRW geplante Krankenhausreform erlaube
«zahlreiche Anknüpfungspunkte» zu einer von der Bundesregierung
angestrebten Reform. Lauterbach aber habe «erneut ein Zerrbild von
der Arbeit der Krankenhäuser gezeichnet».