Ein Jahr Wartezeit bei landesweit einziger Long-Covid-Ambulanz Von Jens Albes und Ira Schaible, dpa
Nach drei Jahren Corona ist die Seuche für viele vorbei - aber nicht
für alle. Nur eine einzige Long-Covid-Ambulanz gibt es im Land. Sie
behandelt auch schwere Fälle - und hat eine Wartezeit von einem Jahr.
Koblenz/Mainz (dpa/lrs) - Corona vorbei, alles gut? Nein, sagt Astrid
Weber, Leiterin der einzigen fachübergreifenden Long-Covid-Ambulanz
in Rheinland-Pfalz in Koblenz. Einerseits gebe es immer noch neue
Infektionen. Andererseits litten vermutlich mindestens zehn Prozent
aller Covid-19-Erkrankten unter anhaltenden Beschwerden und ein oder
zwei Prozent sogar unter schweren langfristigen Beeinträchtigungen.
Vereinzelt gebe es besonders anrührende Fälle: «Wir haben einer
24-jährigen Frau einen Rollstuhl verschreiben müssen. Und ein 14
Jahre alter Junge ist sogar schon in einem Rollstuhl zu uns
gekommen», sagt Weber. «Seine Muskeln spielen nicht mehr mit.»
Ihre im Mai 2022 eröffnete Ambulanz im «Corona-Kompetenz-Zentrum» in
der Koblenzer Innenstadt, wo auch Tests und Frühtherapien angeboten
werden, kann sich vor Anfragen nicht retten. «Bis jetzt haben wir
rund 320 Patienten gehabt», bilanziert die Ärztin. «Jede Woche haben
wir etwa 30 Anfragen. Unsere Wartezeit beträgt jetzt ein Jahr.
Irgendwann müssen wir daran denken, die Warteliste zu schließen.» Die
oft verzweifelten Patienten kämen aus ganz Rheinland-Pfalz und auch
aus anderen Bundesländern.
Kein Wunder, dass sich Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) für
mehr derartige Ambulanzen einsetzt: «Wir sind mit der
Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Gespräch, ob es eine Möglichkeit
gibt, in jeder Großstadt eine spezielle Long-Covid-Anlaufstelle zu
etablieren.» Schließlich könnten auch andere Infektionskrankheiten
Langzeitfolgen auslösen: «Das ist ja nicht nur Corona.» Besonders
nicht auskurierte grippale Infekte nennt Hoch als Beispiel. «Wir
haben ja ganz viele Erkrankungen, von denen wir heute wissen, dass
auch das Immunsystem beteiligt ist.» Etwa Multiple Sklerose und
Alzheimer. Für die Einrichtung einer Long-Covid-Ambulanz müssen sich
laut Minister Hoch «wie in Koblenz die niedergelassenen Ärzte
entscheiden.»
Konkrete Ergebnisse der 2022 begonnenen entsprechenden Gespräche gebe
es aber noch nicht, heißt es im Gesundheitsministerium. Die KV
betont: «Das muss von den Ärzten ausgehen.» KV-Sprecher Stefan Holler
sagt: «Wir können da keinen Zulassungsstatus vergeben.»
Die Koblenzer Pionierin Astrid Weber sieht ein Problem beim Honorar.
Ein Termin mit Long- und Post-Covid-Patienten dauere oft eine Stunde,
die sie mit ihrer Zusatzausbildung als Psychotherapeutin auch
abrechnen könne - nicht aber etwa ein Hausarzt: «Er bekommt nur zehn
Minuten honoriert. Das kann insgesamt nicht funktionieren.» Dabei
wünsche sie sich dringend weitere Long-Covid-Ambulanzen im Land - zur
eigenen Entlastung und auch für den fachlichen Austausch.
Als Long Covid werden Symptome bezeichnet, die noch mehr als vier
Wochen nach einer Infektion oder Erkrankung andauern. Von Post Covid
ist die Rede bei nach mehr als zwölf Wochen noch bestehenden oder
neuen Symptomen oder Gesundheitsstörungen, die anders nicht erklärt
werden können.
Astrid Weber sagt an ihrem Schreibtisch: «Vieles ist hier noch
unerforscht.» Es sei ein Stochern im Nebel. In 36 Berufsjahren habe
sie noch nie eine Krankheit erlebt, «bei wir so viel Wissen so
schnell lernen müssen». Der ganze Mensch in all seinen Systemen könne
betroffen sein, physisch und psychisch. Möglich sei bisher eher gute
Symptombekämpfung. «Es ist aber auch hilfreich für die Patienten,
dass sie sich bei uns ernstgenommen fühlen», betont die Ärztin, die
nach eigenen Worten «locker 60 Stunden pro Woche» arbeitet.
Auch mit einem dunkelblauen Handkraftmessgerät versucht sie zu Beginn
und am Ende eines Termins die Leistungsfähigkeit von Patienten zu
ergründen: Wie viel Unterschied gibt es dabei? Bei manchen Kranken
sinkt der Wert binnen einer Stunde beträchtlich. Ann-Kristin Specht,
Webers einzige permanente Mitarbeiterin, sagt: «Wir brauchen Geduld.
Manche Leute schlafen auch mitten in der Testung einfach ein.»
Viele sind schwer krank. Sie leiden laut Weber etwa unter dauerhafter
Erschöpfung (Fatigue), Konzentrations- und Belastungsschwäche,
unterschiedlichen Schmerzen oder Atemnot. Lebenslust und Kräfte
schwänden dahin. Ann-Kristin Specht sagt: «Das Durchschnittsalter bei
uns liegt bei 44 Jahren. Der jüngste Patient ist 12 und der älteste
83 Jahre alt.» Auffällig: Dreiviertel aller Besucher der
Long-Covid-Ambulanz in Koblenz sind Frauen. Leiterin Astrid Weber
erklärt: «Frauen haben ein anderes Immunsystem als Männer.» Neben
an
lässt sie derweil eine Patientin Minuten auf einer langen roten Linie
mit rechten Winkeln laufen, um ihre Belastungsmöglichkeit zu testen.
Vieles bleibt rätselhaft nach drei Jahren Pandemie.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will daher
Millionensummen für die Erforschung einer geeigneten Versorgung von
Long-Covid-Patienten mobilisieren. Auch an der Universitätsklinik
Mainz ist ein Kompetenzzentrum für das Post-Covid-Syndrom geplant.
Dabei geht es der Unimedizin zufolge um eine Anlaufstelle für
Betroffene mit bedarfsgerechter, interdisziplinär abgestimmter
Diagnostik und individualisierter Therapieempfehlung sowie um die
Entwicklung von Präventions-, Diagnostik- und Therapiekonzepten.
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.