Vergiftungswelle im Iran: Religionsführer spricht von Verbrechen

Die mysteriösen Vergiftungsfälle an Mädchenschulen wühlen den Iran

weiter auf. Nun hat sich erstmals Religionsführer und Staatsoberhaupt
Ajatollah Ali Chamenei mit einem Machtwort gemeldet.

Teheran (dpa) - Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hat
harte Strafen für die Verantwortlichen der jüngsten Vergiftungswelle
gefordert. «Die Urheber dieses Verbrechens müssen streng bestraft
werden. Es wird keine Amnestie für solche Leute geben», sagte der
Religionsführer am Montag laut der staatlichen Nachrichtenagentur
IRNA. «Die Behörden müssen den Fall der vergifteten Schulkinder
ernsthaft untersuchen», sagte das Staatsoberhaupt.

Chamenei, der im Iran in allen strategischen Belangen das letzte Wort
hat, äußerte sich erstmals zu der landesweiten Vergiftungswelle. Er
bezeichnete sie als «unverzeihliches Verbrechen». Er sagte weiter:
«Die zuständigen Behörden, Nachrichtendienste und
Strafverfolgungsbehörden, sollen die Ursachen dieses Verbrechens
verfolgen und aufdecken.»

Die ersten Fälle der mysteriösen Vergiftungen wurden bereits im
November gemeldet. Irans Regierung geht von gezielten Angriffen aus.
Betroffen sind fast ausschließlich Mädchenschulen. Landesweit wurden
Schülerinnen in Krankenhäusern behandelt. Eltern und Angehörige sind

empört und wütend, noch immer gibt es keine offizielle Erklärung. Sie

werfen den Behörden Versagen vor und geben ihnen eine Mitschuld.
Ärzte sprechen von Gasvergiftungen.

Iranische Medien haben über mehr als 2400 Vergiftungsfälle an Schulen
berichtet. Dies ergab eine Auswertung von Berichten, die von November
bis Anfang März in iranischen Medien erschienen. Offizielle
Behördenzahlen zum Gesamtausmaß der Vergiftungswelle gibt es derzeit
nicht. Iranischen Medienberichten zufolge sind mehr als 100 Schulen
in der Islamischen Republik betroffen. Beobachter gehen darüber
hinaus von einer Dunkelziffer aus.

Das Weiße Haus in Washington forderte indes eine «glaubwürdige und
unabhängige Untersuchung». Die Verantwortlichen müssten zur
Rechenschaft gezogen werden, sagte Sprecherin Karine Jean-Pierre. Die
Vergiftung von Schulmädchen im Iran sei «unerhört». «Frauen und
Mädchen haben überall ein Grundrecht auf Bildung», sagte sie.

Nach der Berichterstattung über die mysteriöse Vergiftungswelle wurde
auch ein Journalist festgenommen. Der Zeitungsjournalist Ali
Purtabatabai sei inhaftiert worden, berichtete die Zeitung «Entekhab»
am Sonntagabend unter Berufung auf dessen Schwester. Der Journalist
arbeitete demnach in der religiösen Hochburg Ghom, wo vor Monaten die
ersten Vergiftungsfälle gemeldet wurden.

Kritik an dessen Festnahme kam prompt. Diese trage nicht zur
«Entmystifizierung der Gerüchte und Nachrichten» bei, schrieb der
Reformpolitiker und Journalist Abbas Abdi auf Twitter. Es mache die
Gerüchte «noch schlimmer. Ich hoffe, er wird bald freigelassen.»