«Es war schrecklich» - Hilfe für Opfer von Genitalverstümmelung Von Katharina Schröder, dpa

Tausende Frauen und Mädchen leiden allein in Baden-Württemberg unter
Genitalverstümmelungen. Eine zentrale Beratungsstelle will
Betroffenen nun helfen. Doch für manche ist es zu spät.

Göppingen (dpa/lsw) - Beauty Osamede war 14 Jahre alt, als sie
beschnitten wurde. «Es war schrecklich», sagt die inzwischen
22-Jährige. Das Trauma begleitet sie bis heute. Schrecklich war es
nicht nur, weil sie selbst furchtbare Schmerzen erlebte. «Nicht nur
ich, auch meine kleine Schwester ist beschnitten worden», schildert
sie. Doch die Sechsjährige überlebte die Prozedur nicht.

Um Frauen wie Osamede zu helfen, gibt es in Göppingen nun die
zentrale Anlaufstelle für weibliche Genitalverstümmelung
Baden-Württemberg. Staatssekretärin Ute Leidig (Grüne) war bei der
offiziellen Eröffnung am Donnerstag vor Ort, beraten werden
Betroffene dort aber schon seit Januar.

Zunächst fördert das Land die Anlaufstelle mit 250 000 Euro befristet
auf zwei Jahre. «Aber ich glaube nicht, dass wir das Thema in zwei
Jahren abgehakt haben», sagt Vera Sompon, die Gründerin des Vereins
«Sompon Socialservices», dem Hauptträger des Projekts. Denn das Leid

von Osamede und ihrer Schwester ist kein Einzelfall. Die 22-Jährige
kommt aus Nigeria, dort ist weibliche Genitalverstümmelung noch weit
verbreitet.

Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass weltweit mehr
als 200 Millionen Mädchen und Frauen davon betroffen sind. Vor allem
in afrikanischen Ländern, im Nahen Osten und in Asien wird der Ritus
demnach praktiziert. Sompon spricht von rund 8000 Betroffenen in
Baden-Württemberg.

Weibliche Genitalverstümmelung ist eine schwere
Menschenrechtsverletzung. Dabei werden meist ohne Betäubung und mit
nicht sterilen Gegenständen wie Rasierklingen die äußeren
Geschlechtsorgane von jungen Mädchen teilweise oder ganz
abgeschnitten. Die Betroffenen leiden - wenn sie überleben - oft ihr
Leben lang an starken Schmerzen und psychischen Belastungen.

So auch Osamede. Sie spricht leise, aber sie spricht über das Trauma.
«Das war ein langer Weg», sagt sie. Lange Zeit habe sie Scham
empfunden und nicht darüber sprechen können. «Aber dann habe ich
gemerkt, dass es hilft, darüber zu sprechen.» Deswegen kommt sie nun
regelmäßig zu der Anlaufstelle nach Göppingen. Wirklich besser gehe
es ihr aber noch immer nicht.

Die Einrichtung berät von Genitalverstümmelung betroffenen Frauen
seit Januar und leitet sie individuell weiter. «Sompon
Socialservices» ist die koordinative Schnittstelle. An dem Projekt
beteiligt sind auch die Beratungsstellen «Wild Wasser», «YASEMIN»,

das «Fraueninformationszentrum FIZ» und das Zentrum für Frauen mit
Genitalbeschneidung der Universitätsklinik Freiburg.

Osamede kam mit 17 Jahren allein nach Deutschland. «Ich habe mir hier
sofort Hilfe gesucht», schildert sie. Unter anderem bei «Sompon
Socialservices». Der Verein berät Menschen mit Migrationsbiografie in
vielen Fragen, mit der zentralen Anlaufstelle kam nun
Genitalverstümmelung hinzu.

«Wir fragen jede Frau, die zu uns kommt, ob sie beschnitten wurde»,
sagt Sompon. Die Frage stelle sie unabhängig davon, ob sich eine Frau
mit Gesundheitsproblemen oder etwa Jobfragen an sie wende. Die
Aufklärung sei ein wichtiger Baustein für die Prävention. Deswegen
arbeitet der Verein zusammen mit Multiplikatoren wie Pastoren, Imamen
und Influencern, um breiter aufzuklären. Denn es müssten nicht nur
Eltern überzeugt werden. «Wir haben Klientinnen, die ihre Töchter
beim Urlaub im Heimatland überall mitnehmen und nicht alleine
lassen», sagt Sompon. «Denn wir haben Hinweise darauf, dass Mädchen
ohne das Einverständnis ihrer Eltern beschnitten werden.»

«Die Betroffenen haben generell Schmerzen, einen Mangel an Libido und
Schmerzen bei der Geburt», schildert sie weiter. «Und das sehen sie
als normal an.» Schließlich kennen sie die Schmerzen und das zum Teil
schon ihr ganzes Leben. Frage man die Frauen aber, ob sie das auch
für ihre Kinder wollen, laute die Antwort stets: «Nein, auf keinen
Fall!». Da beginne die individuelle Aufklärungsarbeit.

«Dieser Aha-Moment, wenn die Frauen verstehen, dass
Genitalverstümmelung nicht normal ist, dass sie sogar ein Asylgrund
ist, ist sehr schön», sagt Sompon. Darauf folge die intensive
Beratungsarbeit. «Drei Frauen, die wir beraten haben, denken über
eine Rekonstruktion nach.» Auch Osamede überlegt, aber sie ist sich
noch nicht sicher. In diesem Bereich arbeitet der Verein mit der
Universitätsklinik Freiburg zusammen. «Eine der Frauen hat mich
gefragt, ob man das reparieren kann und ob dann die Schmerzen
aufhören», erzählt Sompon und strahlt. «Und ich war so froh, ihr
sagen zu können: Ja, davon gehe ich aus.»

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