Prozess gegen Arzt wegen mutmaßlich falscher Maskenatteste ausgesetzt Von Sabine Dobel, dpa

Masken in der Pandemie: Die wenigsten liebten sie, die meisten trugen
sie dennoch. Einige sahen in der Maskenpflicht Schikane und geißelten
sie als Gesundheitsgefahr. Falsche ärztliche Atteste, die von der
Maskenpflicht befreiten, beschäftigen einmal mehr die Justiz.

Landsberg am Lech (dpa/lby) - Eine Gruppe Unterstützer ist gekommen
und füllt den Gerichtssaal, wie oft bei solchen Prozessen: Am
Mittwoch startete vor dem Landsberger Amtsgericht ein Verfahren gegen
einen 60 Jahre alten Arzt aus Kaufering wegen mutmaßlich falscher
Maskenbefreiungen während der Corona-Pandemie. Mitangeklagt sind zwei
Frauen, die ihm beim Ausstellen geholfen haben sollen. Schweigen auf
der Anklagebank: Alle drei äußerten sich zum Auftakt des Prozesses
nicht zu den Vorwürfen.

Lange wird schon am Vormittag über neue Verhandlungstermine
diskutiert. Der Prozess wird unterbrochen und letztlich setzt die
Richterin das Verfahren aus. Es wurde kein Termin gefunden. Im Juni
soll der Prozess neu starten. Das Verfahren war schon mehrfach
verschoben worden.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten 117 Fälle von unrichtig
ausgestellten Attesten vor. Sie sollen zwischen Mai 2020 und Januar
2021 ausgestellt worden sein, ohne dass der Arzt die Empfänger
untersucht haben soll. Insgesamt sollen es sogar mehr als 4700
Atteste gewesen sein. Für das Attest wurden laut Anklage 17 Euro
berechnet.

In Video-Aufnahmen, die vor Gericht am Vormittag vor der Aussetzung
des Verfahrens vorgespielt wurden, soll der Arzt eingeräumt haben,
dass er Atteste teils auch ausstellte, wenn er Patienten nicht
kannte. Ob dies aber verwertbar ist, blieb offen.

Da der Mediziner auf seiner Homepage auf die Möglichkeit zur
Maskenbefreiung aus medizinischen Gründen hingewiesen habe, habe er
bald nicht mehr alle Anfragen persönlich bearbeiten können, die teils
aus ganz Deutschland eingingen, sagte der Staatsanwalt. Deshalb haben
die 54 und 45 Jahre alten mitangeklagten Frauen ihm zufolge geholfen,
die Blanko-Atteste auszufüllen und den Empfängern zuzusenden.

Insbesondere bei Kritikern der Corona-Maßnahmen waren solche Atteste
begehrt. Auch wenn Maßnahmen weitgehend nicht mehr gelten: Die
Meinung dazu hat sich bei manchen Gegnern nicht geändert - das wird
bei den Unterstützern des Angeklagten vor dem Gerichtssaal deutlich.

Der Angeklagte sei als entschiedener Kritiker der Corona-Politik
regelmäßig auch bei Demonstrationen aufgetreten und habe die
Maskenpflicht abgelehnt, trug der Staatsanwalt in seiner Anklage
weiter vor. Einmal habe er das Tragen einer Maske mit dem Hitlergruß
verglichen, sagt der Staatsanwalt. Der Anwalt des Arztes betonte
dazu, sein Mandant sei hier freigesprochen worden. Allerdings ist das
Urteil bisher nicht rechtskräftig.

Unter anderem waren bei einer Durchsuchung bei dem Arzt
Blanko-Atteste sichergestellt worden, die die Richterin im Prozess
als Beweismittel aufführte. Laut Staatsanwalt mussten nur noch Namen,
Anschrift und Geburtsdatum des Empfängers eingetragen werden - und
eine «erfundene Diagnose», wie der Staatsanwalt sagte.

Gegen den 60-Jährigen war während der Ermittlungen ein vorläufiges
Berufsverbot erlassen worden. Das Landgericht Augsburg entschied dann
aber, dass der Arzt nur keine Maskenatteste mehr ausstellen darf,
ansonsten aber seinem Beruf nachgehen kann.

Mehrfach gab es bereits Prozesse gegen Ärzte wegen Ausstellens
unrichtiger Gesundheitszeugnisse, so der strafrechtliche Vorwurf. Der
entsprechende Paragraf 278 des Strafgesetzbuches war im Zuge der
Pandemie erweitert worden und nennt nun auch Impfnachweise oder
Testzertifikate. Angeklagte können in besonders schweren Fällen
demnach mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden, etwa
wenn banden- oder gewerbsmäßiges Handeln zugrunde liegt.

In einem der größten Prozesse um falsche Maskenatteste war im Januar
in Weinheim eine Ärztin zu zwei Jahren und neun Monaten Haft
verurteilt worden, es ging um mehr als 4000 Fälle. Zudem verhängte
das dortige Amtsgerichts ein vorläufiges Berufsverbot. Auch sie soll
die Befreiung von der Maskenpflicht bescheinigt haben, ohne die
Betroffenen zu Gesicht bekommen, geschweige denn untersucht zu haben.

Der Prozess in Weinheim bei Mannheim wurde von Protesten von
Unterstützer begleitet - ähnlich auch ein Verfahren im vergangenen
August vor dem Amtsgericht in Garmisch-Partenkirchen. Dort wurde eine
Ärztin zu zwei Jahren Haft und drei Jahren Berufsverbot verurteilt.
309 Mal hatte sie laut Urteil falsche Atteste ausgestellt - teils
sogar noch, als bereits gegen sie ermittelt wurde.

Im November hatte das Landgericht Passau in zweiter Instanz einen
Arzt aus Niederbayern wegen falscher Masken-Atteste zu einer
einjährigen Bewährungsstrafe und einer Geldauflage von 50 000 Euro
verurteilt. In dem Fall waren 79 Fälle angeklagt, übrig blieben 24.