Umwelthilfe gewinnt Klage gegen KBA wegen Thermofenstern in Autos

Ist eine Abschalteinrichtung in Dieselfahrzeugen zulässig oder nicht?
Über die sogenannten Thermofenster streiten Umweltschützer und
Autobauer seit langem. Nun hat das Verwaltungsgericht in Schleswig
sein Urteil in einem Fall verkündet.

Schleswig (dpa) - Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat im Rechtsstreit
mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Sachen Abschalteinrichtungen
von Abgasreinigungssystemen in Dieselfahrzeugen einen Erfolg erzielt.
Die Umweltorganisation hatte das KBA vor dem Verwaltungsgericht in
Schleswig verklagt, weil sie der Auffassung ist, dass sogenannte
Thermofenster unzulässig sind und die vom KBA im Nachhinein
bewilligten Abschalteinrichtungen entfernt werden müssen. Der
Autobauer Volkswagen war in dem Prozess beigeladen. Die Klage sei im
Wesentlichen erfolgreich, sagte der Vorsitzende Richter in der
Urteilsverkündung am Montag. Die Thermofenster in dem genehmigten
Umfang seien unzulässig. Der Entscheidung ging eine mehrere Stunden
dauernde mündliche Verhandlung voraus.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Neben der Berufung wurde
auch eine Sprungrevision zugelassen. Mit einer Sprungrevision kann
unter bestimmten Voraussetzungen die Berufungsinstanz übersprungen
und direkt das Bundesverwaltungsgericht befasst werden.

Die Volkswagen AG betonte nach dem Urteil, «bis zur rechtskräftigen
Klärung drohen weder behördliche Stilllegungen von Fahrzeugen noch
Hardware-Nachrüstungen wegen des Thermofensters». Ebenso bleiben nach
Ansicht des Unternehmens zivilrechtliche Klagen, «die einen
vermeintlichen Schadensersatzanspruch auf das Vorhandensein eines
Thermofensters stützen, wie bisher erfolglos».

Umweltschützer und Autobauer streiten sich seit Jahren über
Thermofenster. Die Software verringert die Reinigung der Abgase etwa
bei niedrigeren Temperaturen, so dass die Autos dann mehr Schadstoffe
ausstoßen. Im konkreten Fall geht es um bestimmte Dieselversionen des
VW Golf, die das KBA 2008 und 2009 genehmigte. 2016 billigte das KBA
dann die temperaturabhängige Abgasrückführung in den
Software-Updates.

Die Autohersteller argumentierten in den vergangenen Jahren häufig,
Abschalteinrichtungen seien notwendig, um den Motor zu schützen. Nach
Rechtsprechung des sind Thermofenster nur unter ganz engen
Voraussetzungen erlaubt, zum Beispiel wenn konkrete Gefahren
abgewehrt werden müssen. Nach Überzeugung der Schleswiger Richter lag
dies in dem verhandelten Fall nicht vor. Die möglichen Schäden, die
beschrieben worden seien, seien «Worst-Case»-Szenarien.

Volkswagen teilte nach der Urteilsverkündung mit, die schriftlichen
Entscheidungsgründe des Gerichts abwarten zu wollen und diese
sorgfältig zu prüfen. Dann werde über weitere Schritte entschieden.
«Unsere Einschätzung bleibt unverändert: Die temperaturabhängige
Abgasrückführung in den hier betroffenen Fahrzeugen schützt vor
unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder
Unfall. Diese wiegen so schwer, dass sie eine konkrete Gefahr beim
Betrieb des Fahrzeugs darstellen können.» Aus Sicht des Herstellers
wäre es unverantwortlich gewesen, Fahrzeuge mit solchen Risiken auf
den Markt zu bringen. «Diese technische und regulatorische Bewertung
hat auch das KBA als Marktüberwachungs- und Genehmigungsbehörde stets
geteilt und bestätigt.»

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch war «sehr zufrieden und
glücklich mit dem Urteil». Allerdings bedauere er, dass es sieben
Jahre bis zur Klärung gedauert hatte. Nun heiße es, für
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) schnell zu handeln. Resch
fordere den Minister als obersten Dienstherrn des KBA dazu auf, «dass
er jetzt Sorge trägt, dass alle rund zehn Millionen Betrugsdiesel,
die noch auf Deutschlands Straßen unterwegs sind, entweder still
gelegt oder auf Kosten der Hersteller nachgerüstet werden». Das
aktuell verhandelte Verfahren ist eines von rund 120, das die DUH in
der Angelegenheit angestrengt hat.