«Heikle Angelegenheit»: Ukraine berät über Olympia-Boykott Andreas Schirmer und Ulf Mauder, dpa
Das IOC möchte russische Athleten wieder zu internationalen
Wettkämpfen - und zu den Spielen 2024 in Paris - zulassen. Die
Ukraine übt Kritik und will über einen Olympia-Boykott beraten.
Frankfurt/Main (dpa) - Für das Internationale Olympische Komitee ist
die angestrebte Rückkehr der russischen Sportler zu internationalen
Wettkämpfen und den Sommerspielen 2024 in Paris eine brisante und
riskante Mission. Bereits am Freitag will das Nationale Olympische
Komitee der Ukraine als Reaktion auf das Vorhaben bei einer
außerordentlichen Generalversammlung über einen möglichen Boykott der
Paris-Spiele beraten. Zum letzten Mal waren die Spiele 1980 in Moskau
und 1984 in Los Angeles von Boykotten betroffen - als Folge der
russischen Invasion in Afghanistan.
«Die olympischen Prinzipien und Krieg stehen in einem fundamentalen
Gegensatz zueinander», teilte der ukrainische Staatschef Wolodymyr
Selenskyj am Samstag in Kiew mit. Er veröffentlichte dazu in den
sozialen Netzwerken eine Bildstrecke mit Fotos von durch den Krieg
zerstörten Sportstätten der Ukraine. «Russland muss die Aggression
und den Terror stoppen, und erst dann wird es möglich sein, über
Russlands Teilnahme im Kontext der olympischen Bewegung zu sprechen.»
Selenskyj lud den deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach in die
aktuell besonders umkämpfte ostukrainische Stadt Bachmut ein, um sich
ein Bild von der Zerstörung zu machen. «Damit er mit eigenen Augen
sieht, dass Neutralität nicht existiert.» Ukrainische Sportler
müssten heute das Leben ihrer Angehörigen retten vor der russischen
Aggression. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer seien durch russische
Angriffe getötet worden.
Bach verteidigte ungeachtet der scharfen Kritik - nicht nur aus der
Ukraine - das Vorhaben. «Diese Überlegungen werden getragen -
weltweit, durch eine riesengroße Mehrheit», sagte er dem ZDF. Es gebe
ein Bekenntnis zur Mission der Olympischen Spiele zu vereinigen, «die
letzte Brücke» zwischen Ländern aufrechtzuerhalten und «nicht noch
einer weiteren Spaltung Vorschub zu leisten», sagte der 69 Jahre alte
Fecht-Olympiasieger von 1976.
Zwei Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrats haben laut Bach
Bedenken mit Blick auf einen weiteren Ausschluss von Russen und
Belarussen geäußert. «Es geht um Menschen, die nach diesen beiden
Berichterstattern die Menschenrechte genießen», sagte er. Ein
Ausschluss «wegen eines Passes oder des Geburtsorts» verstoße gegen
das Diskriminierungsverbot.
Das IOC hat unter seiner Führung den russischen Athleten mehrfach mit
ähnlichen Argumenten die Olympia-Rückkehr - ohne Fahne und Hymne -
ermöglicht. Das Land war nach dem Dopingskandal bei den Winterspielen
2014 im russischen Sotschi von den nachfolgenden vier Spielen
ausgeschlossen worden. Der Olympia-Bann von Russland wegen
Manipulation von Dopingdaten im Moskauer Labor war am 16. Dezember
2022 ausgelaufen. Schon diese Zulassung von russischen Athleten hatte
die olympische Welt gespalten.
Was wird sein, wenn der Ukraine-Krieg bis zur Eröffnung der
Paris-Spiele am 26. Juli 2024 andauert? Die Interessengruppe Athleten
Deutschland gab eine klare Antwort: «Mit diesem Krieg verletzt
Russland die völkerrechtlichen Normen der internationalen
Gemeinschaft ebenso wie fundamentale Werte der olympischen Bewegung.
Ein Ausschluss Russlands aus dem Weltsport sei und bleibe deshalb
folgerichtig.»
Die Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees (ANOC)
unterstützt dagegen «voll und ganz den einigenden Auftrag der
olympischen Bewegung», der «insbesondere in diesen Zeiten der
Spaltung, der Konfrontation und des Krieges erfüllt» werden müsse,
hieß es in einer ANOC-Mitteilung. Es solle geprüft werden, wie ein
Weg für russische und belarussische Athleten für eine Rückkehr in den
Wettkampfbetrieb unter strengen Bedingungen gefunden werden könnte.
Allerdings verhehlte die Vereinigung der 32 Sommersportarten nicht:
«Es ist uns bewusst, dass es eine heikle Angelegenheit ist.»
In Russland wurden Bachs Äußerungen erwartungsgemäß begrüßt - a
ber
auch mit großer Skepsis bedacht. «Das sind sehr gute Neuigkeiten»,
meinte etwa Eiskunstlauf-Legende Tatjana Tarassowa. «Für unseren
Sport sind Bachs Worte sehr wichtig. Endlich hat er begonnen, richtig
zu denken.» Zuvor hatte der Vizepräsident des russischen NOK, Igor
Lewitin, gemeint: «Die olympische Bewegung hat erkannt, dass
die Olympischen Spiele nicht ohne Russlands Teilnahme
stattfinden können.»
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